OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. September 2001 – 5 W 2891/01 – Keine festsetzungsfähigen Mehrkosten bei Beauftragung eines Terminsvertreters

durch den Prozeßbevollmächtigten im eigenen Namen

In dieser Entscheidung wird die Ansicht vertreten, dass eine Kosten des Terminsvertreter nicht festgesetzt werden können, wenn der Terminsvertreter  vom Prozessbevollmächtigten im eigenen Namen der Auftrag zur Terminvertretung erteilt wird. Dies ist nach hier seit vertretener Auffassung falsch und wurde in jüngeren Entscheidungen vom LG Flensburg im Beschluss vom 24. Juli 2018 – 8 T 3/17 – und LG Flensburg, Beschluss vom 06. Juli 2018 – 3 O 291/16 –, so bestätigt.

Die Kosten eines vom Prozessbevollmächtigten eingeschalteten Rechtsanwalts, der den Gerichtstermin wahrnehmen soll, sind Auslagen der Prozessbevollmächtigten, die zur Ausführung des Mandats gemäß Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV-RVG i. V. m. § 675, § 670 BGB, erforderlich sein können, wenn nicht die fiktiven sonst anerkannten notwendigen Aufwendungen geringer sind.

Die Auffassung wie in diesem Beschluss des OLG Nürnberg vom 25. September 2001 – 5 W 2891/01 –  wird auch vertreten von:

OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.07.2017 - 8 W 321/15 -

OLG Koblenz, Beschluss vom 25.07.2012 - 14 W 400/12 - 

LG Flensburg, Beschluss vom 12.03.2018 - 6 HKO 69/16 -

vorgehend LG Regensburg, 14. August 2001, 4 O 51/01, Beschluss

Die Entscheidung lautet:

 

Tenor

1. Die sofortigen Beschwerden des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Regensburg vom 03.07.2001, Az: 4 O 51/01 sowie den Ergänzungsbeschluss vom 14.08.2001 werden kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert beträgt 738,50 DM (51,20 DM + 687,30 DM).

Gründe

I.

1 Mit den als sofortigen Beschwerden zu behandelnden Erinnerungen rügt der Kläger, daß in den angefochtenen Entscheidungen die Gebühren des Unterbevollmächtigten - zumindest in Höhe anwaltlicher Reisekosten zum Termin - nicht erstattet und Kopierkosten abgesetzt wurden.

2 1. Die Klägervertreter haben nach dem Widerspruch der Beklagten gegen den Mahnbescheid vom 17.10.2000 mit Schriftsatz vom 22.12.2000 die Klage begründet. Auf die Klageerwiderung vom 01.03.2001 hin hat das Landgericht am 05.03.2001 auf den 08.05.2001 terminiert. Die Klägervertreter nahmen zur Klageerwiderung nochmals mit Schriftsatz vom 26.04.2001 Stellung. Nachdem das Landgericht am 02.05.2001 die Ladung von Zeugen verfügt hatte, ging am 04.05.2001 ein Anerkenntnis der Beklagten mit der Bitte um Aufhebung des Termins zum 08.05.2001 und um Erlaß eines Anerkenntnisurteils bei Gericht ein; die Kammer folgte den Anträgen.

3 Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 22.05.2001 beantragte der Kläger, auch die Kosten von Rechtsanwalt R festzusetzen, den seine Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 19.03.2001 wie folgt beauftragt haben:

4 Neue Sache!

5 L/S

6 Sehr geehrter Herr Kollege,

7 Sie erhalten in der Anlage Gerichtsteil unserer Handakten einschließlich Ladung mit der Bitte uns in Untervollmacht vor dem Landgericht Regensburg zu vertreten. Sollten Sie an der Mandatsübernahme gehindert sein, bitten wir Sie das Mandat an einen geeigneten Kollegen weiterzugeben.

8 Für eine kurze Bestätigung der Mandatsübernahme wären wir dankbar.

9 Ich schlage Gebührenteilung aller Gebühren zur Hälfte vor.

10 Mit freundlichen Grüßen

11 Dem Schreiben war folgende Untervollmacht vom gleichen Tage beigefügt:

12 In Sachen J L ./. Fa. A S

13 wegen Forderung

14 erteilen wir

15 Herrn Rechtsanwalt H T R, ... straße ..., ... R

16 Untervollmacht

17 R, den 13.03.2001

18 S M F B Rechtsanwälte

19 Das Landgericht hat die Erstattung dieser Kosten als nicht notwendig i. S. d. § 91 Abs. I S. 1 ZPO mit der Begründung abgelehnt, daß Kosten des Unterbevollmächtigten stets nur dann berücksichtigungsfähig seien, wenn sie die Kosten eines Prozeßbevollmächtigten mit Kanzleisitz am Ort des Prozeßgerichts nicht überstiegen, was hier nicht der Fall sei. Darüber hinausgehende Mehrkosten könnten ausnahmsweise dann erstattungsfähig sein, wenn die rechtsunkundige Partei nicht in der Lage sei, schriftlich die Korrespondenz mit einem Prozeßbevollmächtigten mit Kanzleisitz am Gerichtsort zu führen oder ihr dies objektiv nicht zumutbar sei. In diesen Fällen seien die Kosten des Unterbevollmächtigten weiter in Höhe der Kosten, die durch eine Informationsreise der Partei zu einem Rechtsanwalt mit Kanzleisitz am Gerichtsort entstanden wären, erstattungsfähig.

20 Da im vorliegenden Fall die Reisekosten eines am Sitz des Klägers ansässigen Prozeßbevollmächtigten für die Wahrnehmung des Gerichtstermins niedriger gewesen wären als die Kosten des Klägers für die persönliche Information eines R Anwalts, seien die durch die Einschaltung des Unterbevollmächtigten verursachten Mehrkosten nur in Höhe der geringeren anwaltlichen Reisekosten erstattungsfähig. Diese Kosten könnten aber mangels Anfall - es sei im schriftlichen Verfahren entschieden worden - nicht festgesetzt werden.

21 Der Kläger wendet dagegen ein, daß nicht vorhersehbar gewesen sei, daß drei Tage vor dem anberaumten Termin das Anerkenntnis erklärt werde. Zu diesem Zeitpunkt sei der Unterbevollmächtigte längst beauftragt gewesen, um sich in die Sache einarbeiten zu können. Nachdem es sich um eine fiktive Kostenabrechnung handele, könne auch nicht plötzlich wieder auf das konkrete Geschehen umgestellt werden.

22 2. Die Fotokopierkosten, geltend gemacht für Fotokopien von Anlagen zu den Schriftsätzen für die Zustellung erforderliche Anzahl von Schriftsatzabschriften, könnten nicht erstattet werden, denn diese seien mit der Prozeßgebühr abgegolten und nicht erstattungsfähig.

II.

23 Die sofortigen Beschwerden sind zulässig (§ 11 Abs. 1 RpflG, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2 S. 2, 569, 577 ZPO), in der Sache jedoch nicht begründet.

24 1. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Erstattungsfähigkeit der Kosten für den Unterbevollmächtigten verneint.

25 Dabei kann die Frage unbeantwortet bleiben, ob die geltend gemachten Kosten des Unterbevollmächtigten auch dann zumindest in Höhe fiktiver Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erstattungsfähig sind, wenn, wie hier, eine solche Reise gar nicht erforderlich gewesen wäre, da im schriftlichen Verfahren entschieden wurde.

26 Der Anspruch besteht bereits deshalb nicht, weil Mehrkosten für die Klagepartei durch die - im Ergebnis vorsorgliche - Einschaltung eines Unterbevollmächtigten nicht entstanden sind.

27 Sowohl der Unterbevollmächtigte im Sinne des § 53 Abs. I S. 1 BRAGO als auch der mit weitergehenden Vollmachten (insb. Entgegennahme von Ladungen, Schriftsätzen und Entscheidungen) ausgestattete Anwalt, dessen Gebühren sich ebenfalls nach § 53 BRAGO richten (vgl. Bischoff MDR 2000, 1357; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Auflage, § 53 Randnummer 16), muß entweder von der Partei selbst oder ausdrücklich oder stillschweigend mit Einverständnis der Partei zum Unterbevollmächtigten bestellt werden. Unabhängig davon ist es erforderlich, daß bei Erteilung der Untervollmacht klargestellt wird, ob der Prozeßbevollmächtigte im eigenen Namen handelt oder im Namen und mit Einverständnis der Partei; nur im letzten Fall erwirbt der Unterbevollmächtigte eigene Ansprüche gegen die Partei (vgl. Gerold/Schmidt, a.a.O.).

28 Erteilt der Prozeßbevollmächtigte einem Terminsvertreter dagegen im eigenen Namen den Auftrag zur Terminswahrnehmung, so ist dieser im Regelfall Erfüllungsgehilfe des Prozeßbevollmächtigten und verdient die Gebühr für diesen. Zwischen der Partei und dem Terminsvertreter wird kein Vertragsverhältnis begründet, die Entschädigungspflicht richtet sich vielmehr nach der internen Vereinbarung zwischen dem Terminsvertreter und dem Prozeßbevollmächtigten, der für die Ansprüche des Terminsvertreters in diesem Fall auch einzustehen hat (vgl. BGH, WM 2001, 167, 168, m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist die letztgenannte Variante einschlägig.

29 Nach der Vollmachtserteilung vom 19.03. ist zunächst davon auszugehen, daß diese nur für den vorgesehenen Termin vom 08.05.2001 erfolgen sollte. Rechtsanwalt R hat sich nicht beim Prozeßgericht angezeigt und die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben weiterhin selbst schriftsätzlich im Verfahren vorgetragen.

30 Darüber hinaus kommt in keiner Weise zum Ausdruck, daß die Prozeßbevollmächtigten des Klägers in dessen Vollmacht handeln bzw. für ihn Rechtsanwalt R beauftragen. Auch die vorgeschlagene Kostenteilung spricht dafür, daß allein vertragliche Beziehungen zwischen den Anwälten und nicht zwischen dem Unterbevollmächtigten und dem Mandanten begründet werden sollen. Im Falle der Kostenabrechnung nach dem § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und § 35 Abs. 1 S. 1 bzw. § 33 Abs. 3 S. 1 BRAGO erhielte der Prozeßbevollmächtigte eine volle 10/10-​tel Prozeßgebühr der Unterbevollmächtigte eine 5/10-​tel Prozeßgebühr, der Unterbevollmächtigte die Verhandlungs- oder Erörterungsgebühr in voller Höhe, während dem Hauptbevollmächtigten die Hälfte der Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr zusteht (vgl. Bischoff a.a.O.). Fallen alle genannten Gebühren an, ist die Vergütung zwar für beide Anwälte gleich hoch. Bei einem anderen Prozeßverlauf ist dies jedoch nicht mehr zwingend.

31 Hätten die Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit den angesprochenen "Kosten" auch die Kosten nach § 53 im Auge gehabt hätte sich ihnen angesichts der relativ kurzen Entfernung zwischen dem Kanzlei- und dem Gerichtsort die Problematik der Erstattungsfähigkeit der Kosten, wie eingangs geschildert, aufdrängen müssen, da angesichts des Streitwerts eine Gebühr bereits ein mehrfaches der voraussichtlichen Fahrtkosten betragen dürfte. Der pauschale Hinweis auf die Kostenteilung spricht dafür, daß auch die Klägervertreter von der Erstattungsfähigkeit von Kosten für nur einen Anwalt ausgehen.

32 Die Kosten des Unterbevollmächtigten könnte daher auch nicht der Hauptbevollmächtigte als bei ihm angefallene Mehrkosten geltend machen.

33 Im übrigen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß die Beauftragung auch im Interesse der Partei, nicht ausschließlich im eigenen Interesse der Prozeßbevollmächtigten erfolgt ist (vgl. BGH, a.a.O.).

34 Besteht somit kein Anspruch von Rechtsanwalt R gegen den Kläger, können diese Kosten auch nicht gegen die Beklagte festgesetzt werden.

35 2. Soweit der Kläger sich gegen die Streichung der Kopierkosten wendet, ist seine Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht begründet; der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf diesen Bezug.

III.

36 Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; der Streitwert wurde nach § 3 ZPO festgesetzt.



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