OLG Karlsruhe, Beschluß vom 27. 9. 2004 - 15 W 3/04 - Ordnungsgeld gegen die eigene Partei wegen Nichterscheinens, wenn Terminsvertreter unvorbereitet ist,

nicht einmal die - wesentlichen Sachvortrag enthaltenden - Schriftsätze der eigenen Partei (bzw. des Hauptbevollmächtigten) kennt.

Zum Sachverhalt:

I.Die Kl. ist eine Versicherung, die aus übergegangenem Recht von der Bekl. Schadensersatz für einen Transportschaden verlangt. Der Bf. ist Vorstandssprecher der Kl..

Am 17.05.2004 hat das LG M. in dem dort anhängigen Rechtsstreit mündlich verhandelt. Zu diesem Termin hatte das LG das persönliche Erscheinen, insbesondere auch das Erscheinen des Bf., angeordnet. In der mündlichen Verhandlung erschien für die Kl. lediglich ein M´er Rechtsanwalt als Unterbevollmächtigter für die H´er Hauptbevollmächtigten der Kl.. Für die Bekl. erschienen deren Prokuristin und ein weiterer Mitarbeiter. Außerdem war für die Bekl. deren Hauptbevollmächtigter aus N. angereist. Im Termin fand eine Erörterung der Sach- und Rechtslage statt. Um den Parteien weitere Gelegenheit zu schriftsätzlicher Stellungnahme zu geben, ordnete das Gericht das schriftliche Verfahren an.

Mit Beschluss vom 17.05.2004 setzte das LG M. außerdem ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 € gegen den Bf. fest. Zur Begründung wies das Gericht darauf hin, dass weder der Bf. noch ein Vertreter i.S. von § 141 III Satz 2 ZPO, der zur Aufklärung des Sachverhalts in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen ermächtigt gewesen wäre, zur mündlichen Verhandlung erschienen sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Bf. mit seiner sofortigen Beschwerde. Er vertritt die Auffassung, der im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesende Rechtsanwalt sei als Vertreter i.S. von § 141 III Satz 2 ZPO anzusehen. Dass der Vertreter zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage gewesen sei, ergebe sich insbesondere daraus, dass der Bevollmächtigte ausweislich des Protokolls in der Lage gewesen sei, auf eine Frage des Gerichts eine Erklärung zum Sachverhalt abzugeben.

Das LG M. hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Im Nichtabhilfe-Beschluss weist das LG darauf hin, der Terminsvertreter der Kl. habe noch nicht einmal eine vollständige Handakte gehabt und bestimmte wesentliche Schriftsätze der Hauptbevollmächtigten der Parteien nicht gekannt.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 15.07.2004 hat der Senat dem Bf. Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen gegeben und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass auch eine Ermächtigung des Bevollmächtigten der Kl. für den Abschluss eines Vergleichs im Termin vom 17.05.2004 bisher nicht ersichtlich sei. Der Bf. hat innerhalb der Frist keine Stellung genommen.

Das Rechtsmittel gegen die Ordnungsgeldfestsetzung hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:
II. 2. Die Voraussetzungen für die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Bf. in der mündlichen Verhandlung gem. §§ 141 I, 278 III ZPO lagen vor. Der Umstand, dass der Bf. als Vorstandssprecher der Kl. vermutlich mit dem beim LG M. anhängigen Prozess normalerweise nicht selbst befasst ist, steht einer solchen Anordnung nicht entgegen. Der Bf. hatte die Möglichkeit, gem. § 141 III Satz 2 ZPO einen Vertreter zum Termin zu entsenden. Es ist auch von einer größeren Versicherungsgesellschaft zu erwarten - und für den Vorstandssprecher zumutbar -, dass die innere Organisation der Versicherungsgesellschaft jederzeit in einem anhängigen Rechtsstreit die Entsendung eines geeigneten Vertreters, der den Anforderungen des § 141 III Satz 2 ZPO entspricht, ermöglicht.

3. Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes gem. § 141 III ZPO liegen vor.

a) Der Bf. war zum Termin geladen. Das Gericht hatte den Bf. in der Ladung auf die möglichen Folgen seines Ausbleibens hingewiesen.

b) Der Bf. hat zum Termin keinen Vertreter entsandt, der „zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage“ gewesen wäre (§ 141 III Satz 2 ZPO). Es kann dahinstehen, in welchem Umfang ein Vertreter i.S. von § 141 III Satz 2 ZPO in einem Fall der vorliegenden Art in der mündlichen Verhandlung informiert sein muss. Jedenfalls besteht nach Auffassung des Senats kein Zweifel, dass ein im Termin als Unterbevollmächtigter auftretender Rechtsanwalt, der noch nicht einmal die - wesentlichen Sachvortrag enthaltenden - Schriftsätze der eigenen Partei (bzw. des Hauptbevollmächtigten) kennt, den Anforderungen des Gesetzes nicht entspricht.

c) Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den Bf. war auch deshalb gerechtfertigt, weil der Terminsvertreter der Kl. nicht i.S. von § 141 II Satz 3 ZPO „zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt“ war. Nachdem der Bf. zum Hinweis des Senatsvorsitzenden keine Stellungnahme abgegeben hat, ist davon auszugehen, dass eine solche Ermächtigung für den Unterbevollmächtigten der Kl. fehlte. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die - bei jedem im Termin auftretenden Rechtsanwalt - vorhandene Prozessvollmacht für eine Ermächtigung i.S. von § 141 III Satz 2 ZPO nicht ausreichend ist. Eine „Ermächtigung“ gem. § 141 III Satz 2 ZPO meint vielmehr - im Unterschied zur „Vollmacht“ - eine Befugnis des Terminsvertreters im Innenverhältnis gegenüber der Partei, im Termin ohne Rücksprache mit der Partei über den Streitgegenstand in vollem Umfang zu verfügen.

In der Vergangenheit war in der Rechtsprechung teilweise umstritten, inwieweit die fehlende Ermächtigung eines Terminsvertreters zum Vergleichsabschluss die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die Partei gem. § 141 III ZPO rechtfertigen konnte (vgl. z.B. einerseits OLG Hamburg, OLGR 1999, 304; andererseits OLG Nürnberg, MDR 2001, 954). Dieser Streit ist nach der Reform der Zivilprozessordnung überholt. Nach der Neuregelung in § 278 III ZPO (gleichzeitig wurde § 279 II Satz 2 a.F. ZPO aufgehoben) steht fest, dass auch die fehlende Ermächtigung eines Terminsvertreters, einen Vergleich abzuschließen, die Verhängung eines Ordnungsgeldes rechtfertigen kann (ebenso OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 467).

4. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die zum Termin unentschuldigt nicht erschienene Partei steht gem. § 141 III Satz 1 ZPO im Ermessen des Gerichts. Der Senat kann einen Ermessensfehler des LG M. nicht feststellen.

Die Frage, ob von der Möglichkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die nicht erschienene Partei regelmäßig oder eher zurückhaltend Gebrauch gemacht werden sollte, ist in der Vergangenheit von den Gerichten unterschiedlich beurteilt worden (vgl. zur Rechtsprechung Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 22. Aufl. 2001, § 141 ZPO Rn. 12). Die Änderungen der Zivilprozessordnung zum 01.01.2002 werden teilweise dahingehend verstanden, dass von der Festsetzung von Ordnungsgeldern gegen eine Partei, die gegen die Anordnung des persönlichen Erscheinens verstößt, vermehrt Gebrauch gemacht werden solle (so beispielsweise ausdrücklich Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 24. Aufl. 2004, § 141 ZPO Rn. 12). Auch die relativ neue Regelung in § 15 a Abs. 5 2. Halbs. EGZPO (Ordnungsgeld im außergerichtlichen Schlichtungsverfahren) könnte für eine derartige Sichtweise sprechen. Im vorliegenden Fall kann die Frage, ob von der Möglichkeit eines Ordnungsgeldes gem. § 141 III ZPO nur restriktiv Gebrauch gemacht werden sollte oder nicht, jedoch dahinstehen. Ein Ermessensfehler des LG M. wäre auch dann nicht ersichtlich, wenn man von der Möglichkeit eines Ordnungsgeldes gem. § 141 III ZPO generell nur zurückhaltend Gebrauch machen würde.

Für eine Ordnungsgeldverhängung sprechen nach Auffassung des Senats vor allem die folgenden Umstände: Der für die Kl. im Termin vom 17.05.2004 auftretende Unterbevollmächtigte kannte - vom Bf. nicht bestritten - noch nicht einmal einen eigenen Schriftsatz der Partei (bzw. des Hauptbevollmächtigten), der wichtigen Sachvortrag enthielt. Es kann kein Zweifel sein, dass unter solchen Umständen der Zweck einer mündlichen Verhandlung, den Rechtsstreit möglichst umfassend zu erörtern und die weitere Führung des Verfahrens vorzubereiten, kaum erreicht werden kann. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Gegenseite der Anordnung des persönlichen Erscheinens ordnungsgemäß nachgekommen war. Im Verhältnis zu den Vertretern der Bekl., die Zeit und Mühe für die Terminswahrnehmung auf sich genommen haben, erscheint es nicht unangemessen, wenn die Pflichtverletzung des Bf. nicht gänzlich ohne Konsequenzen bleibt.

 

 



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