OLG München: 11 W 644/07 vom 28.02.2007 - Erstattung einer zweiten Einigungsgebühr bei Terminsvertreter

für den Hauptbevollmächtigten und den Unterbevollmächtigten.



1. Zwei Einigungsgebühren, eine beim Prozessbevollmächtigten und eine beim Terminsvertreter, können erstattungsfähig sein.

2. Bei der ex ante Vergleichsberechnung der zusätzlichen Kosten durch einen Terminsvertreter einerseits bzw. durch Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten andererseits ist nicht zu berücksichtigen, dass u. U. eine zweite Einigungsgebühr anfallen kann.

Oberlandesgericht München, 11. Zivilsenat,

Beschluss vom 28. 2. 2007 – 11 W 644/07 –

11 W 644/07

7 O 1955/06 LG Traunstein

In Sachen

? ? ?

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigter: ? ? ?

gegen

? ? ?

Beklagte –

Prozessbevollmächtigte: ? ? ?

wegen Forderung hier:

Kostenfestsetzung

erlässt der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 27. 1. 2006 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Traunstein vom 30. 10. 2006

am 28. 2. 2007

folgenden

Beschluss:

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Traunstein vom 30. 10. 2006 wird hinsichtlich des Erstattungsbetrages dahingehend abgeändert, dass dieser auf 1570,27 € heraufgesetzt wird.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

III. Die außergerichtlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Die Gerichtskosten trägt die Klägerin.

IV. Der Beschwerdewert beträgt 740,67 €.

V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass von den von ihr verlangten Beträgen noch einmal Mehrwertsteuer abgezogen worden sei, obgleich sie keine Mehrwertsteuer geltend gemacht habe, sowie dagegen, dass eine zweite , Einigungsgebühr nicht als erstattungsfähig angesehen wurde.

Die Klägerin klagte beim Landgericht Traunstein auf Bezahlung von Unternehmensberatungsdiensten. Die in ? ? ? ansässige Klägerin wurde von einem in ? ? ? residierenden Rechtsanwalt vertreten. Nach Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens wurde die Klägerin in der mündlichen Verhandlung von einem Traunsteiner Terminsvertreter vertreten. In der mündlichen Verhandlung schlössen die Parteien einen Vergleich, demzufolge die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits tragen. In der mündlichen Verhandlung hatte der Terminsvertreter der Klägerin den Sitzungssaal verlassen und mit deren Prozessbevollmächtigten den Vergleichsinhalt telefonisch besprochen. Der Vergleich wurde dann entsprechend den Vorgaben des Prozessbevollmächtigten abgeschlossen.

Die Klägerin verlangte Erstattung außergerichtlichen Kosten in Höhe von 3955,90 € einschließlich der Kosten für den Terminsvertreter. Dabei hat sie sowohl für den Prozessbevollmächtigten als auch für den Terminsvertreter eine 1,0-Einigungsgebühr in Höhe von 606,– € angemeldet. Das Landgericht hat dem Erstattungsanspruch stattgegeben, jedoch 606,– € für eine zweite Einigungsgebühr sowie vom Terminsvertreter geltend gemachte Mehrwertsteuer in Höhe von 279,54 € abgezogen. Eine Einigungsgebühr sei nur einmal angefallen. Die Mitwirkung des Terminsvertreters sei nicht maßgeblich für das Zustandekommen des Vergleichs gewesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Einigungsgebühr

Es besteht ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung einer zweiten Einigungsgebühr.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH ist, abgesehen von Ausnahmesituationen, die vorliegend eindeutig nicht gegeben sind, eine Partei grundsätzlich berechtigt, einen Prozessbevollmächtigten an deren Wohn- oder Geschäftssitz zu beauftragen und sind dann die Reisekosten dieses Prozessbevollmächtigten zu erstatten. Reist der Prozessbevollmächtigte nicht selbst, sondern wird ein Terminvertreter eingeschaltet, so sind die durch ihn entstehenden zusätzlichen Kosten nach dem BGH dann zu erstatten, wenn sie nicht erheblich höher als die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten sind, wobei eine wesentliche Überschreitung zu verneinen ist, wenn die Mehrkosten nicht über 10% hinausgehen (BGH NJW 2003, 898). Der Senat folgt dem BGH aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Zur Kritik an der BGH-Rechtsprechung s. Bischoff in Bischoff/Jungbauer RVG 2. Auflage Nr. 1000 VV Rn. 8 ff; kritisch auch Müller-Rabe in Gerold/Schmidt RVG 17. Auflage VV Vorb. 3 Rn. 123)

Bei der Vergleichsrechnung zwischen den fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten und den Kosten des Unterbevollmächtigten ist eine ex ante Betrachtung erforderlich (BGH NJW 03, 898 = AnwBI. 03, 309; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflage, VV 3401, Rn. 87 m.w.N.). Bei dieser muss die Entstehung einer zweiten Einigungsgebühr nicht mit einbezogen werden. Die Partei muss nicht damit rechnen, dass die Einigungsgebühr doppelt anfallen wird. Ein Vergleich wird nicht derartig häufig geschlossen, dass in der Mehrzahl der Fälle von der Entstehung einer Einigungsgebühr ausgegangen werden müsste (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflage, VV 3401, Rn. 88 (2); Enders, JurBüro 05, 62,65).

b) Somit war mit Mehrkosten durch einen Terminsvertreter in Höhe von einer 0,65 Verfahrensgebühr gemäß VV 3401 aus einem Gegenstandswert von 18.270,– € zu rechnen, also 393,90 € zuzüglich 20,– EUR Pauschale. Im Verhältnis dazu wären die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten von ? ? ? nach Traunstein erheblich höher gewesen (745 km x 0,30 € x 2 = 447,– € + Übernachtung 100,– € + Abwesenheitsgeld). Ex ante war daher zu erwarten, dass die Einschaltung eines Terminsvertreters billiger sein würde.

c) Es sind bei dem Prozessbevollmächtigten und bei dem Terminsvertreter Einigungsgebühren gemäß VV 1000, 1003 angefallen. Hierfür genügt, dass beide Rechtsanwälte beim Abschluss des Vergleichs mitgewirkt haben, der Prozessbevollmächtigte dadurch, dass er dem Terminvertreter gesagt hat, welchen Vergleich dieser schließen soll, der Terminsvertreter dadurch, dass er den Prozessvergleich geschlossen hat. Ohne seine Genehmigung des Vergleichs im Termin wäre im vorliegenden Anwaltsprozess ein wirksamer Vergleich nicht zustande gekommen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflage, VV 3401, Rn. 64 f.; 76).

d) Die zweite Einigungsgebühr ist auch zu erstatten. Die Rechtsprechung, die beim Verkehrsanwalt die Erstattung einer zweiten Einigungsgebühr nur in Ausnahmefällen anerkannt hat (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflage, VV 3400, Rn. 96 f.), ist auf den Terminsvertreter nicht übertragbar. Vielmehr wird bei diesem in vielen Fällen die Mitwirkung beider Anwälte notwendig sein. Häufig wird der Terminsvertreter bei den Einigungsgesprächen vor Gericht mitwirken. Mindestens ist in Anwaltsprozessen seine Mitwirkung bei der Protokollierung notwendig, wodurch die Einigungsgebühr ausgelöst wird. Andererseits ist eine Mitwirkung des Verfahrensbevollmächtigten notwendig. Es ist dessen Aufgabe als Prozessbevollmächtigter, der am umfassendsten informiert und der der Vertrauensanwalt ist, zu entscheiden, ob eine Einigung zustande kommen soll (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflage, VV 3401, Rn. 104). Auf die Bedeutung des Vertrauensverhältnisses hat der BGH im Zusammenhang der Erstattung von Reisekosten hingewiesen (FamRZ 04, 939 = NJR-RR 04, 458).

Ob im Einzelfall etwas anderes zu gelten hat, wenn die Partei selbst am Gerichtstermin teilnimmt, kann dahingestellt bleiben, da im vorliegenden Fall diese Voraussetzung nicht gegeben ist.

Soweit in der Rechtsprechung ein Erstattungsanspruch auf eine zweite Einigungsgebühr verneint wurde (OLG Zweibrücken, AGS 04, 497 = RVG-Report 04, 192 mit zustimmender Anmerkung von Hansens) ist dem aus den vorgenannten Gründen nicht zu folgen.

e) Der Erstattungsanspruch der Klägerin erhöht sich damit um 2/3 aus 606,– € = 404,– € von bislang 1166,27 € auf nunmehr 1570,27 €.

2. Mehrwertsteuer

Die sofortige Beschwerde geht insofern ins Leere, als in dem Kostenfestsetzungsbeschluss nicht von den Nettobeträgen Mehrwertsteuer abgezogen wurde. Mehrwertsteuer wurde nur beim Terminsvertreter abgezogen. Für diesen war aber auch MWSt verlangt worden.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf 92 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, nachdem das OLG Zweibrücken und ihm folgend Hansens zur Erstattungsfähigkeit einer zweiten Einigungsgebühr eine entgegengesetzte Auffassung vertreten.

 

 



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