BGH, Beschluss vom 10.07.2012 - VIII ZB 106/11 - Die Kosten eines Unterbevollmächtigten sind auch dann erstattungsfähig, wenn sie höher sind,
als die fiktiven einfachen Reisekosten, wenn bei der Beauftragung (ex ante) mit mehreren Anreisen zu rechnen war.
Die Kosten eines Unterbevollmächtigten sind dann als notwendige Rechtsverfolgungs-/ Rechtsverteidigungskosten iSd. § 91 I 1 ZPO anzusehen, wenn durch seine Einsetzung Reisekosten erspart werden, die sonst bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären. Bei dem Vergleich der fiktiven Reisekosten und den Kosten der Terminsvertretung kommt es auf eine ex ante Betrachtung an. Hätte eine wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Terminsvertretung als sachdienlich empfunden, so handelt es sich um notwendige Kosten.
Dies entschied der BGH.
Leitsatz:
Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den auswärtigen Prozessbevollmächtigten beim Prozessgericht die Vertretung in der mündlichen Verhandlung wahrnimmt, richtet sich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte.
Entscheidung:
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts - 8. Zivilsenat - vom 2. November 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 11. Juli 2011 zurückgewiesen worden ist.
Auf die sofortige Beschwerde werden die von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden Kosten auf weitere 170,61 € (insgesamt 1.855,88 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Februar 2011 festgesetzt.
Die Kosten der Beschwerdeverfahren werden der Beklagten auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 170,61 €.
Gründe:
I.
1
Die Parteien streiten im Kostenausgleichsverfahren nach § 106 ZPO darüber, ob der Kläger die Kosten seines Unterbevollmächtigten erstattet verlangen kann.
2
Der in Süddeutschland ansässige Kläger hat die Beklagte auf Zahlung des Kaufpreises für einen Pkw in Anspruch genommen. Er hat seinen ortsansässigen Prozessbevollmächtigten mit der gerichtlichen Vertretung beauftragt. Das zunächst angerufene Landgericht Ingolstadt hat den Rechtsstreit an das Landgericht Hamburg verwiesen, welches einen Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung auf den 3. Dezember 2010 anberaumt hat. Eine Anordnung zur Ladung von Zeugen ist nicht erfolgt. Mit der Terminswahrnehmung hat der Kläger einen Rechtsanwalt aus Hamburg als Unterbevollmächtigten beauftragt.
3
Am 16. Februar 2011 hat das Landgericht festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Vergleich zustande gekommen ist. Dieser sieht vor, dass die Kosten des Rechtsstreits zu 5/7 von der Beklagten und zu 2/7 von dem Kläger getragen werden.
4
Im anschließenden Kostenausgleichsverfahren hat der Kläger unter anderem die Kosten des Unterbevollmächtigten in Höhe von 930,82 € geltend gemacht. Die fiktiven Kosten für eine Anreise seines Prozessbevollmächtigten zu dem Termin hat er mit 629,05 € beziffert. Das Landgericht hat die von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden Kosten auf 1.640,33 € festgesetzt. Hierbei hat es die Kosten des Unterbevollmächtigten lediglich in Höhe der fiktiven Reisekosten der Prozessbevollmächtigten des Klägers berücksichtigt. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Beschwerdegericht den Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert und die zu erstattenden Kosten auf 1.685,27 € nebst Zinsen festgesetzt.
5
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde macht der Kläger weiter geltend, bei der Berechnung der zu erstattenden Kosten sei der Betrag in Höhe von 930,82 € für den Unterbevollmächtigten anzusetzen.
II.
6
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 ZPO) hat Erfolg.
7.
Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der - wie hier - für den am Wohnort oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalt Termine beim Prozessgericht wahrnimmt, richtet sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen die Kosten eines Unterbevollmächtigten dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären.
8.
Für die Vergleichsberechnung zwischen den fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten und den durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten zur Terminsvertretung entstandenen Kosten ist - anders als das Beschwerdegericht meint - nicht auf eine ex post-Betrachtung abzustellen. Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen.
9
Wenn die Partei prüft, ob sie einen Unterbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung hinzuzieht, liegt dies auch im Interesse der erstattungspflichtigen Gegenpartei; denn die Beauftragung des Unterbevollmächtigten kann, etwa bei einem geringen Streitwert und einer erheblichen Entfernung zwischen dem Kanzleisitz des Hauptbevollmächtigten und dem Prozessgericht oder wenn mehrere Termine wahrzunehmen sind, kostengünstiger sein als die Terminswahrnehmung durch den Hauptbevollmächtigten.
10
Bei der gebotenen ex-ante-Beurteilung durfte der Kläger im Zeitpunkt der Beauftragung des Unterbevollmächtigten davon ausgehen, dass voraussichtlich mehrere Termine vor dem Prozessgericht in Hamburg wahrzunehmen sein würden. Das Landgericht Hamburg hatte zunächst nur Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter ohne Ladung von Zeugen anberaumt, obgleich von beiden Parteien Zeugen zum Beweis ihrer - strittigen - Behauptungen benannt worden waren. Für die Anreise des Hauptprozessbevollmächtigten des Klägers zu zwei Terminen vor dem Landgericht Hamburg wären höhere Kosten entstanden als durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten.
11.
Dem Kläger steht daher gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten seines Unterbevollmächtigten für die Wahrnehmung des Termins in Höhe von 170,61 € nebst Zinsen gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO entsprechend der im Vergleich getroffenen Kostenverteilungsquote zu.
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