OLG Rostock, Beschluss vom 15.09.2011 - I Ws 201/11 - Gebührenanspruch des Terminsvertreters bei Vertretung des Pflichtverteidigers

Die Frage, ob man als weiterer Verteidiger vor Gericht auftritt oder lediglich als Terminvertreter hat gebührenrechtliche Folgen. Ob jemand für einen Pflichtverteidiger als weiterer Verteidiger oder nur als Vertreter bestellt wurde, hängt maßgeblich von der Formulierung des gerichtlichen Beschlusses ab. Lässt sich dem Beschluss nichts entnehmen, so sind die Erklärungen der Verteidiger und die sonstigen Umstände maßgeblich. Wird die Zulassung einer Vertretung für einen Terminstag beantragt oder gibt der anwesende Anwalt Erklärungen als Vertreter des Pflichtverteidigers ab, so kann von der Bestellung als Terminsvertreter ausgegangen werden.

Leitsatz:

Die Beantwortung der Frage, ob der sogenannte "Terminvertreter" des verhinderten Pflichtverteidigers als weiterer "Vollverteidiger" oder aber nur als "Vertreter" bestellt wurde, hängt von der Formulierung des gerichtlichen Beschlusses ab. Hiernach richtet sich dann auch der Gebührenanspruch des Terminsvertreters.


Entscheidung:

In der Strafvollstreckungssache

betreffend S., geb. am ... 19... in R.,

Pflichtverteidiger: Rechtsanwalt D. Dz. in H.,

wegen: banden- und gewerbsmäßigen Betrugs

hier: Kostenbeschwerde

Beschwerdeführer: Rechtsanwalt M. Do. in H.

 

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kruse, den Richter am Oberlandesgericht Hansen und den Richter am Amtsgericht Halfmann auf die Beschwerde des Rechtsanwalt Matthias Do. gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 26.05.2011 - 11 KLs 21/09 -, mit dem seine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.04.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde, nach Anhörung der Vertreterin der Staatskasse und des Beschwerdeführers am 15. September 2011 beschlossen:

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, eine Auslagenerstattung findet nicht statt, § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Gründe:

I.

Nach Anklageerhebung wurde mit Anordnung vom 03.11.2009 Rechtsanwalt Dz. dem Angeschuldigten S. als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Am 18.12.2009 vermerkte der Vorsitzende, dass mit den Büros der Verteidiger zehn Verhandlungstermine vereinbart worden seien. In der 11. Kalenderwoche befinde sich der Verteidiger Rechtsanwalt Dz. noch im Urlaub. Am 17.03.2010 müsse daher an Stelle von Rechtsanwalt Dz. ein weiterer Pflichtverteidiger für den Angeschuldigten bestellt werden.

Mit Beschluss vom 25.01.2010 wurde die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und mit Verfügung vom gleichen Tag wurden die im Vermerk vom 18.12.2009 genannten Termine zu Hauptverhandlungsterminen bestimmt, darunter auch der 17.03.2010.

Die Hauptverhandlung begann am 05.02.2010 und lief über 32 Verhandlungstage. An insgesamt drei Verhandlungstagen war der Pflichtverteidiger Dz. abwesend und zwar neben dem 17.03. auch am 17.05. und 20.07.2010.

Im Protokoll des 3. Hauptverhandlungstag, am 17.03.2010, wurde vermerkt:

Für den urlaubsabwesenden Verteidiger Rechtsanwalt Dz. erscheint für den Angeklagten S. Verteidiger Rechtsanwalts Do. aus Hamburg, der im erklärten Einverständnis mit dem Angeklagten S. seine Pflichtverteidigerbestellung für den heutigen Haupthandlungstag beantragt.

Auf Anordnung:

Verteidiger Rechtsanwalts Do. aus H. wird dem Angeklagten S. für den heutigen Hauptverhandlungstag als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Rechtsanwalt Do. stellte einen Aussetzungsantrag und einen Beweisantrag. In dem Antrag, die Hauptverhandlung auszusetzen, wurde ausgeführt, dass der Angeklagte seinem Rechtsanwalt Dz. mitgeteilt habe, dass in der Anklageschrift auf Aktenteile Bezug genommen worden sei, welche weder ihm noch seinem Verteidiger zur Einsicht gereicht worden sein. Die Kammer werde aufgefordert, diese Unterlagen dem Rechtsanwalt Dz. sowie dem Angeklagten persönlich vorzulegen. Das Verfahren sei auszusetzen, da weder dem Angeklagten noch dem Verteidiger Dz. vollständige Akteneinsicht gewährt worden sei.

Mit dem Beweisantrag wurde die Verlesung einer E-Mail beantragt.

Rechtsanwalt Do. verlas ferner eine schriftlich vorbereitete Erklärung. Diese wird mit dem Satz eingeleitet:

In der Strafsache gegen S. und andere gibt der Unterzeichner in Vertretung für den Verteidiger des Angeklagten Herrn Rechtsanwalt Dz. für diesen die folgende Erklärung gemäß § 257 Abs. 2 StPO ab:

Die Hauptverhandlung wurde an diesem Tag sodann nach Entgegennahme einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft unterbrochen. Rechtsanwalt Do. war in dem Strafverfahren für den Angeklagten S. nicht weiter tätig. Für die Mitangeklagte Z. unterzeichnete er für deren Pflichtverteidiger J., mit welchem er eine Bürogemeinschaft unterhält, als Abwesenheitsvertreter den Schriftsatz vom 05.02.2010 .

Mit Datum vom 17.03.2010 beantragte Rechtsanwalt Do., Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 1.284,96 EUR festzusetzen. Er rechnete dabei die Grundgebühr, die Verfahrensgebühr, eine Terminsgebühr für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins am 17.03.2010, Fahrtkosten sowie Abwesenheitsgeld und die Auslagenpauschale ab.

Die Gebühren wurden wie beantragt durch die Kostenbeamtin mit Datum vom 29.04.2010 festgesetzt und ausgezahlt.

Mit Datum vom 10.02.2011 beantragte die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Rostock, die Vergütung des Pflichtverteidigers Do. auf 709,00 € festzusetzen. Hilfsweise legte sie Erinnerung gemäß § 56 RVG ein. Zur Begründung führte sie aus, dass Rechtsanwalt Do. nur für den Termin beigeordnet worden sei, so dass weder Grund- noch Verfahrensgebühr angefallen seien. Ähnliche Anträge stellte sie im Hinblick auf die Festsetzung von Gebühren für die Rechtsanwälte P. und B., welche an den Verhandlungstagen vom 17.05.2010 bzw. 20.07.2010 jeweils für den abwesenden Pflichtverteidiger Dz. bestellt worden waren.

Rechtsanwalt Do. führte mit Schriftsatz vom 15.03.2011 aus, dass er schon im Februar 2010 von Rechtsanwalt Dz. darum gebeten worden sei, für diesen den Hauptverhandlungstermin am 17.03.2010 wahrzunehmen. Da es sich nicht um einen sogenannten Sprungtermin gehandelt habe, habe er sich umfänglich einarbeiten müssen. Es hätten auch zwei Termine mit Rechtsanwalt Dz. zur ausführlichen Erörterung der Sach- und Rechtslage stattgefunden. Er habe zwei Anträge für den Termin zur Verlesung ausgearbeitet, wobei er diese vor dem Verhandlungstermin mit dem Mandanten noch zusammen erörtert habe. Die Verfahrensgebühr sei daher entstanden. Gleiches gelte für die Grundgebühr sowie die Auslagenpauschale. Er habe sich als Terminsvertreter für Rechtsanwalt Dz. in die Sach- und Rechtslage des Falles einarbeiten müssen, um eine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleisten zu können.

Mit Beschluss vom 06.04.2011 half die Urkundsbeamtin der Erinnerung der Bezirksrevisorin ab und setzte die dem Rechtsanwalt Do. auf Antrag vom 17.03.2010 aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütung auf 709,00 € fest.

Rechtsanwalt Do. legte mit Schriftsatz vom 18.05.2011 Erinnerung gegen den Beschluss vom 06.04.2011 ein. Zur Begründung wiederholte er seinen bisherigen Vortrag.

Mit Beschluss vom 26.05.2011 verwarf das Landgericht die Erinnerung als unbegründet. Zur Begründung wurde auf die angefochtene Entscheidung verwiesen. Ferner wurde ausgeführt, dass Rechtsanwalt Do. durch sein Verhalten im Termin selbst zum Ausdruck gebracht habe, dass er nicht als weiterer Pflichtverteidiger, sondern als Terminsvertreter tätig geworden sei. Dies gehe aus dem Aussetzungsantrag sowie der für den Pflichtverteidiger abgegebenen Erklärung hervor. Auch der schriftlich vorbereitete Beweisantrag sei ersichtlich im Rahmen der vom Pflichtverteidiger Dz. verantworteten Verteidigung gestellt worden. Es sei unglaubhaft, dass Rechtsanwalt Do. diesen Antrag selbst ausgearbeitet und sich ausführlich in die Ermittlungsakten eingearbeitet habe. Der Termin vom 17.03.2010 sei wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit des Pflichtverteidigers Dz. als Schiebetermin konzipiert worden und dies sei mit den Verfahrensbeteiligten auch so abgesprochen gewesen.

Mit Datum vom 06.06.2011 legte Rechtsanwalt Do. gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 26.05.2011 Beschwerde ein. Zur Begründung wiederholte er seinen bisherigen Vortrag.

Die Bezirksrevisorin nahm mit Datum vom 06.07.2011 ergänzend Stellung.

Mit Beschluss vom 26.07.2011 wurde die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

 

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 33 Abs. 3 Satz 1 und 3, 56 Abs. 2 Satz 1 RVG zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 €.

Das Rechtsmittel ist indes unbegründet.

1. In Rspr. und Lit. ist umstritten, ob der wegen der Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordnete Verteidiger als Vergütung für seine Tätigkeit als sog. „Terminsvertreter“ nur die Terminsgebühr erhält, weil er lediglich als Vertreter des die Verteidigung insgesamt führenden Pflichtverteidigers beigeordnet worden ist, oder ob ihm als weiteren Pflichtverteidiger die volle Vergütung nach Abschnitt 1 Teil 4 VV RVG zusteht.

Unter den Vertretern der ersten Meinung ist zudem streitig, ob der Terminsvertreter trotz seiner Beiordnung gebührenrechtlich weiter als Vertreter behandelt werden muss und daher nach § 5 RVG Erstattungsansprüche allein in der Person des Vertretenen anfallen (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 19.12.2008 - 2 Ws 365/08; OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.02.2011 - 4 Ws 195/10 ) oder ob der Vertreter durch die Beiordnung für den Termin selbst anspruchsberechtigt wird (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.08.2009 - 2 Ws 111/09; KG, Beschl. v. 18.02.2011 - 1 Ws 38/09).

Die Vertreter der zweiten Meinung sind sich darin uneinig, in welchem Umfang der für den Termin beigeordnete weitere Pflichtverteidiger die Gebühren verdient hat. Ganz überwiegend wird hier vertreten, dass ihm nur die Grund- und Terminsgebühr zustehe (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.07.2008 - 3 Ws 281/08; OLG München, Beschl. v. 23.10.2008 - 4 Ws 140/08; OLG Köln, Beschl. v. 26.03.2010 - 2 Ws 129/10; OLG Jena, Beschl. v. 08.12.2010 - 1 Ws 318/10; OLG Bamberg: Beschl. v. 21.12.2010 - 1 Ws 700/10), nicht jedoch die Verfahrensgebühr.

Der Senat geht davon aus, dass bei Verhinderung des Pflichtverteidigers an einem Verhandlungstermin sowohl die Beiordnung eines Rechtsanwalts als Vertreter des Pflichtverteidigers als auch die Beiordnung als weiterer Pflichtverteidiger zulässig ist. Gebührenrechtlich führt dies jeweils zu unterschiedlichen Konsequenzen, so dass zunächst zu prüfen ist, welche Variante der Beiordnung im konkreten Fall gegeben ist.

Ob eine zeitlich befristete Bestellung zu einem weiteren Verteidiger oder eine auf einen Sitzungstag beschränkte Bestellung zum Vertreter des Pflichtverteidigers vorliegt, hängt zunächst von der Formulierung der Verfügung des Vorsitzenden ab. Ist diese neutral gefasst und schließt keine der beiden Varianten aus, ist ferner auf die Erklärungen der Verteidiger und die sonstigen Umstände abzustellen. Beantragt der Pflichtverteidiger die Zulassung einer Vertretung für einen Terminstag oder gibt der im Termin erscheinende Rechtsanwalt Erklärungen als Vertreter des Pflichtverteidigers ab, wird meist von einer Bestellung als Terminsvertreter auszugehen sein.

Im vorliegenden Fall ist die Anordnung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung vom 17.03.2010 auslegungsbedürftig, da aus dem Wortlaut selbst noch nicht klar hervorgeht, ob Rechtsanwalt Do. als Vertreter des verhinderten Rechtsanwalt Dz. bestellt werden sollte oder als weiterer Pflichtverteidiger. Aus den sonstigen Umständen lässt sich aber entnehmen, dass Rechtsanwalt Do. als Terminsvertreter bestellt werden sollte. Laut Protokoll erschien er für den verhinderten Rechtsanwalt Dz.. In seinem Beschwerdevorbringen führt er selbst aus, dass er von jenem gebeten worden sei, für ihn den Termin wahrzunehmen und er bezeichnet sich selbst als Terminsvertreter. Aus dem Aussetzungsantrag geht hervor, dass er in die Verteidigungsstrategie des Rechtsanwalts Dz. eingebunden war und er gab ausdrücklich in Vertretung für den Rechtsanwalts Dz. eine Erklärung nach § 257 Abs. 2 StPO ab. Wie sich aus den Ausführungen des Vorsitzenden im Beschluss vom 26.05.2011 ergibt, hatte er Rechtsanwalt Do. auch als Vertreter des bestellten Pflichtverteidiger beiordnen wollen.

Für eine Vertreterstellung spricht auch der Inhalt der ergänzenden Erklärung des Verteidigers der Mitangeklagten Z., Rechtsanwalt J., zu dem von ihm gestellten Aussetzungsantrags. Dort heißt es:

Der Unterzeichner sprach gemeinsam mit dem Kollegen und Mitverteidiger RA Do., der am heutigen Tage den Verteidiger des Angeklagten S., RA Dz., vertritt ...

Auch Art und Umfang der Tätigkeit spricht nicht gegen eine Beiordnung als bloßer Terminsvertreter. Eine Beweisaufnahme war weder geplant noch fand sie statt. Der Termin dauerte 50 Minuten. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Vor- oder Nachbearbeitung des Termins durch Rechtsanwalt Do. über das durch die Terminsgebühr abgedeckte Maß hinaus notwendig war. Der Aussetzungsantrag und die Erklärung nach § 257 Abs. 2 StPO wurden ersichtlich im Rahmen der Verteidigungsstrategie des Rechtsanwalts Dz. gestellt, es handelt sich also um typische Tätigkeiten eines Vertreters. Inhaltlich fügt sich der Beweisantrag in die Verteidigungsstrategie des Pflichtverteidigers Dz. ein und hätte an jedem anderen Verhandlungstag gestellt werden können. Die Beweisaufnahme selbst wurde später durch ihn begleitet. Dass sich Rechtsanwalt Do. vor dem Termin mit dem Pflichtverteidiger zur Vorbereitung des Termins getroffen hatte, spricht nicht für eine Beiordnung als weiteren Verteidiger, da gerade der Terminsvertreter sich im Regelfall mit dem Vertretenen abstimmt.

In der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände geht der Senat daher davon aus, dass Rechtsanwalt Do. als Terminsvertreter für den verhinderten Pflichtverteidiger Dz. beigeordnet wurde.

2. Die Beiordnung als reiner Terminsvertreter ist rechtlich zulässig.

a) Die Ansicht, welche nur die Beiordnung als weiterer Pflichtverteidiger für zulässig erachtet, weist darauf hin, dass dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für die Dauer einzelner Hauptverhandlungstermine beigeordneten weiteren Verteidiger für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensabschnitt die Verteidigung des Angeklagten ohne jede inhaltliche Beschränkung übertragen sei und die StPO eine Beiordnung lediglich als Vertreter des bereits bestellten Pflichtverteidigers dergestalt, dass der Beigeordnete gleichsam als Hilfsperson des eigentlichen Pflichtverteidigers in dessen Beiordnungsverhältnis mit einbezogen wird, nicht kenne. Deren Zulässigkeit lasse sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen ableiten. Durch die Beiordnung als Verteidiger für einzelne Terminstage anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers werde vielmehr ein eigenständiges, öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger während der Dauer der Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen habe. Aus der Eigenständigkeit der jeweiligen Beiordnungsverhältnisse folge zugleich, dass die anwaltlichen Tätigkeiten der jeweiligen Pflichtverteidiger auch hinsichtlich ihrer Vergütung gesondert zu bewerten seien. Da der wegen der Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers für einzelne Hauptverhandlungstermine beigeordnete (weitere) Verteidiger umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrechte und -pflichten betraut sei, komme - unbeschadet der zeitlichen Begrenzung der Beiordnung - eine gebührenrechtliche Einstufung der in der Hauptverhandlung entfalteten Tätigkeit als Einzeltätigkeit im Sinne des Teils 4 Abschnitt 3 VV RVG nicht in Betracht. Die Vergütung beurteile sich vielmehr nach den für den Verteidiger geltenden Bestimmungen in Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG und bemesse sich im Einzelfall nach den durch die anwaltliche Tätigkeit konkret verwirklichten Gebührentatbeständen.

Der weitere Verteidiger müsse auch nicht für das gesamte weitere Verfahren bestellt bleiben, weil dem Angeklagten für einzelne Verfahrensabschnitte und damit auch für einzelne Hauptverhandlungstage einzelne Verteidiger nacheinander bzw. tageweise nebeneinander beigeordnet werden könnten, ohne dass diese alle jeweils bis zum Schluss im Verfahren beteiligt sein müssten. Dies folge aus §§ 226, 227 StPO, wonach - auch im Falle der notwendigen Verteidigung - mehrere Verteidiger sich die Verrichtungen teilen können, solange (wegen §§ 140, 338 Nr. 5 StPO) jeweils mindestens einer von ihnen in der Hauptverhandlung anwesend sei. Soweit auch vergleichend auf das Institut des bestellten Vertreters des Rechtsanwalts verwiesen wird, vermöge dies nicht zu überzeugen. Das Institut des bestellten Vertreters nach § 53 BRAO werde systematisch von der StPO als existent vorausgesetzt. Dieser sei von vornherein als alter ego des Rechtsanwalts anzusehen, sodass er stets ohne besonderen Bestellungsakt durch das erkennende Gericht an Stelle des Pflichtverteidigers - und demzufolge ohne besondere kostenrechtliche Konsequenzen - tätig werden könne, während der so genannte „Terminsvertreter“ eines eigenen exklusiv auf das Verfahren bezogenen Bestellungsaktes bedürfe. Die Vertreterlösung stelle sich dar als kostenrechtlicher Ausfluss einer praeter legem erfolgten Umgehung des Verbots der Unterbevollmächtigung, bei der die Vollmachtserteilung des Pflichtverteidigers ersetzt werden solle durch einen gesetzlich so nicht vorgesehenen Bevollmächtigungsakt des Gerichts. Die Selbständigkeit und grundsätzliche Weisungsfreiheit des für einzelne Hauptverhandlungstermine beigeordneten (weiteren) Verteidigers gegenüber dem zuerst bestellten Pflichtverteidiger mache seine Einarbeitung in den Fall erforderlich und sei dementsprechend gebührenrechtlich abzugelten (vgl. OLG Bamberg a. a. O. m. w. Nachw.).

b) Die gegen die Vertreterlösung genannten Argumente überzeugen nicht. Richtig ist allein, dass der Gesetzgeber die Vertretung des Pflichtverteidigers außerhalb des § 53 BRAO nicht ausdrücklich geregelt hat. Genauso wenig ist aber auch die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers für einen Termin gesetzlich geregelt.

aa) Die Vertreterlösung entspricht dem gesetzlichen Leitbild für Fälle der Verhinderung des Pflichtverteidigers. Für die typischen Fälle der Verhinderung eines Rechtsanwalts durch Urlaub, Krankheit, auswärtige Tätigkeiten o. ä. sieht § 53 BRAO die Bestellung eines allgemeinen Vertreters vor. Im Normalfall bestellt der Rechtsanwalt selbst nach § 53 Abs. 2 BRAO einen allgemeinen Vertreter, welcher dem durch die Rechtsanwaltskammer nach § 53 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 BRAO bestellten Vertreter gleichgestellt ist (BGH, Beschl. v. 05.02.1992 - 5 StR 673/91). Der allgemein bestellte Vertreter ist auch befugt, für den Vertretenen sämtliche Aufgaben der diesem übertragenen Pflichtverteidigungen wahrzunehmen, ohne dass es für die Wirksamkeit der Vertretung darauf ankommt, ob im konkreten Fall eine Verhinderung des bestellten Pflichtverteidigers tatsächlich vorlag, einer Untervollmacht des Vertreters oder einer Zustimmung des Gerichts bedarf es nicht (vgl. BGH, Urt. v. 02.09.1975, 1 StR 380/75; Meyer-Goßner, 54. Aufl. StPO § 142 Rn 17).

Für das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Interesse des Angeklagten an einer wirksamen Verteidigung macht es keinen Unterschied, ob der Pflichtverteidiger an einem Verhandlungstag durch den allgemein bestellten Vertreter ersetzt wird oder durch einen nur für den konkreten Verhandlungstag von dem Pflichtverteidiger benannten Terminsvertreter. Erscheint eine ordnungsgemäße Verteidigung durch den allgemein bestellten Vertreter oder den Terminsvertreter nicht ausreichend gewährleistet, kann hierauf durch Unterbrechung oder Aussetzung der Verhandlung oder Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers reagiert werden.

bb) Die Benennung eines Terminsvertreters durch den Pflichtverteidiger stellt auch keine Umgehung des Verbots der Unterbevollmächtigung dar. Ein solches Verbot existiert nicht, da der Pflichtverteidiger keiner Bevollmächtigung bedarf. Richtig ist nur, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers personengebunden ist. Mit der Beiordnung wird eine öffentlich-rechtliche Pflicht des beigeordneten Pflichtverteidigers begründet, die Verteidigung selbst eigenverantwortlich zu führen, er kann diese Aufgabe nicht an andere übertragen. Die Bestellung eines Vertreters stellt jedoch gerade keine Übertragung der Beiordnung dar, der Vertretene bleibt Pflichtverteidiger. Das ist für den allgemein bestellten Vertreter anerkannt und es ist nicht erkennbar, warum für den Vertreter, welcher nur für einen Verhandlungstag in einem konkreten Verfahren bestellt wird, etwas anderes gelten soll.

cc) Fraglich ist allein, ob in entsprechender Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO für die Bestellung eines Terminsvertreters die Erklärung des Pflichtverteidigers, also des Vertretenen, genügen soll, oder ob es hierfür noch einer zustimmenden Anordnung des Gerichts bedarf. Letzteres ist zutreffend. In dem durch die Beiordnung begründeten öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis kann der Pflichtverteidiger nicht einseitig durch Bestellung eines Vertreters die Rechtsfolgen des § 5 RVG auslösen, soweit dies nicht durch § 53 BRAO gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Aus gebührenrechtlicher Sicht ist daher die Mitwirkung des Gerichts notwendig. Verfahrensrechtlich sollte dies durch Anordnung einer Beiordnung geschehen, da die StPO die Beiordnung als formellen Akt der Begründung des Pflichtverteidigerverhältnisses vorsieht und unter Anwendung des argumentum a majore ad minus inhaltsändernde Anordnungen in gleicher Form erfolgen sollten. Die Anordnung hat klar zum Ausdruck zu bringen, dass der Rechtsanwalt als Terminsvertreter für den abwesenden Pflichtverteidiger beigeordnet wird und nicht etwa als anderer Pflichtverteidiger im Sinne des § 145 Abs. 1 StPO bzw. als weiterer Pflichtverteidiger. Möglich ist etwa folgender Wortlaut:

Dem Angeklagten wird für den am heutigen Terminstag verhinderten Pflichtverteidiger als Terminsvertreter Rechtsanwalt ... beigeordnet.

dd) Der bestellte Terminsvertreter hat die Verteidigung des Angeklagten für den betreffenden Termin umfassend und eigenverantwortlich vorzunehmen. Er hat sämtliche prozessualen Befugnisse und Aufgaben des vertretenen Pflichtverteidigers. Nur im Innenverhältnis zwischen ihm und dem vertretenen Pflichtverteidiger sind Einschränkungen denkbar und üblich, etwa in Form der Abstimmung der Verteidigungsstrategie, was jedoch die strafprozessuale Stellung des Vertreters in keiner Weise berührt.

3. Gebührenrechtlich hat die Beiordnung eines anderen Verteidigers als Vertreter des verhinderten Pflichtverteidigers zur Folge, dass nur ein Pflichtverteidigermandat abzurechnen ist. Sämtliche Gebühren entstehen daher nur einmal. Nach § 5 RVG entstehen die Vergütungsansprüche in der Person des Vertretenen, welcher sie grundsätzlich im eigenen Namen geltend zu machen hat. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen kann er die im Termin durch die Tätigkeit des Terminsvertreter verdienten Ansprüche an diesen abtreten oder ihn ermächtigen, die Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen (Einziehungsermächtigung, §§ 185, 362 Abs. 2 BGB).

Die abweichende Ansicht, welche aus der Beiordnung ableitet, dass der Terminsvertreter auch einen unmittelbar in seiner Person entstehenden Gebührenanspruch erwirbt berücksichtigt nicht, dass durch die Beiordnung als Terminsvertreter neben dem bestehenden Beiordnungsverhältnis des weiterhin bestellten Pflichtverteidiger kein weiteres selbständiges Beiordnungsverhältnis begründet, sondern der Terminsvertreter in das bestehende Beiordnungsverhältnis einbezogen wird. Es ist nicht erkennbar, warum hier etwas anderes gelten soll, als bei dem allgemein bestellten Vertreter.

4. Die Zulässigkeit der Bestellung eines Vertreters für den Pflichtverteidiger im oben genannten Sinn schließt nicht aus, dass das Gericht bei Verhinderung des Pflichtverteidigers zu anderen Gestaltungsmöglichkeiten greift und einen weiteren Pflichtverteidiger beiordnet. In Übereinstimmung mit der ganz h. M. in der Rechtsprechung geht der Senat auch davon aus, dass die Bestellung des weiteren Verteidigers zeitlich beschränkt auf einen Verhandlungstag erfolgen kann. § 145 StPO sieht zwar in Fällen der Verhinderung des Pflichtverteidigers grundsätzlich die Bestellung eines anderen Verteidigers nach §§ 141, 142 StPO vor, also für das gesamte weitere Verfahren. Da nach § 227 StPO aber eine sukzessive Mehrfachverteidigung auch bei Bestellung mehrerer Pflichtverteidiger möglich ist, erscheint eine zeitlich beschränkte Beiordnung nicht von vornherein ausgeschlossen.

Die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers mit zeitlicher Beschränkung ist jedoch nur in Ausnahmefällen zulässig, da das Gesetz grundsätzlich davon ausgeht, dass die Beiordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fortdauert. Grundsätzlich hat der beigeordnete Pflichtverteidiger in eigener Person sämtliche Hauptverhandlungstermine wahrzunehmen. Ist schon zum Zeitpunkt der Beiordnung des ersten Pflichtverteidigers absehbar, dass er an einzelnen Terminen verhindert ist und auch keinen tauglichen Terminsvertreter stellen kann, ist ein anderer Pflichtverteidiger beizuordnen oder aber es ist ein weiterer uneingeschränkter Pflichtverteidiger zu bestellen. Die Aufgabe eines zweiten Pflichtverteidigers kann nicht allein auf die Verfahrenssicherung beschränkt werden, etwa zu dem Zweck, eine gegenseitige Vertretung der beiden Pflichtverteidiger in der Hauptverhandlung zu ermöglichen (OLG Hamm, Beschl. v. 26.10.2010 - 5 Ws 374/10).

Wird ein weiterer Rechtsanwalt zeitlich beschränkt für den Termin als Verteidiger beigeordnet, ist dessen Vergütung unabhängig von der Vergütung des weiter bestellten Pflichtverteidigers nach den für den Verteidiger geltenden Bestimmungen in Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG zu beurteilen.

In solchen Fällen wird häufig eine Grundgebühr gemäß VV RVG Nr. 4100 anfallen, da sich die Notwendigkeit einer Einarbeitung in den Fall meist aus der Natur der Sache ergibt. Dagegen wird die Verfahrensgebühr gemäß VV RVG Nr. 4112, welche gemäß der Vorbemerkung zu § 4 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben der Geschäfte einschließlich der Information entsteht, im Regelfall nicht anfallen.

Beschränkt sich die Beiordnung allein auf die Beistandsleistung in einem Hauptverhandlungstermin, ist nach Auffassung des Senats auch eine Vergütung als Einzeltätigkeit nach VV RVG Nr. 4301 Ziff. 4 denkbar. Die ganz herrschende Meinung lehnt die Vergütung des nur für einen Terminstag beigeordneten Verteidigers als Einzeltätigkeit mit der Begründung ab, dass dem für den Termin beigeordnete Rechtsanwalt sachlich unbeschränkt die Verteidigung übertragen werde, er also nicht aus dem Aufgabenbereich des Verteidigers einzelne Tätigkeiten übernehme, so dass er trotz der zeitlichen Beschränkung seiner Tätigkeit als Verteidiger im Sinne des Abschnitts 1 VV RVG Teil 4 anzusehen sei. Diese Auffassung lässt sich jedoch mit dem Gesetz nicht in Einklang bringen. In VV RVG Nr. 4301 Ziff. 4 wird die Beistandsleistung für den Angeklagten in einer Hauptverhandlung als mögliche Einzeltätigkeit angesehen, soweit dem Rechtsanwalt nicht im Sinne der Vorbemerkung VV RVG Nr. 4.3 sonst die Verteidigung übertragen wurde. Dass die Verteidigung im Termin sachlich uneingeschränkt erfolgt, versteht sich von selbst. Der Rechtsanwalt, welchem allein die Verteidigung in einem Hauptverhandlungstermin im Wege der Beiordnung übertragen wird, nicht aber die Verteidigung im Übrigen, übt daher eine Einzeltätigkeit aus und ist nach VV RVG Nr. 4301 Nr. 4 zu vergüten (so auch für die Beiordnung eines Zeugenbeistands allein für die Vernehmung in einen Hauptverhandlungstermin: Beschl. des Senats v. 12.10.2010 - I Ws 270/10).

5. Da Rechtsanwalt Do. in zulässiger Weise als Vertreter des Pflichtverteidigers Dz. zur Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins vom 17.03.2010 beigeordnet wurde und Rechtsanwalt Dz. die Grund- und Verfahrensgebühr sowie die Postpauschale bereits abgerechnet hat, kann der Antragsteller diese nicht nochmals geltend machen. Als Vertreter wäre er eigentlich nicht einmal aktivlegitimiert, die Terminsgebühr im eigenen Namen geltend zu machen. Beantragt allerdings der Pflichtverteidiger die Gebühren für die von seinem Vertreter wahrgenommenen Termine nicht selbst, sondern überlässt diesen Antrag dem Vertreter, so begründet dies mindestens der Anschein einer nach § 185, 362 Abs. 2 BGB zulässigen Einziehungsermächtigung für den Vertreter, die durch seine eigene Tätigkeit entstandenen Gebühren selbst geltend zu machen, welche die Befugnis des Vertreters gegenüber der Staatskasse begründet, eine Auszahlung an sich selbst zu beantragen.


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