BGH, Beschluß vom 28. 11. 2006 - VIII ZB 52/06 - (LG Hof) Zustellung an Unterbevollmächtigte ist unwirksam

Rechtsmittelfristen beginnen nicht mit der unwirksamen Zustellung

Die Zustellung eines Urteils an einen lediglich als Terminsvertreter anzusehenden Unterbevollmächtigten ist unwirksam und setzt Rechtsmittelfristen nicht in Lauf.

Sachverhalt:
[1] Das Endurteil des AG, mit dem der Bekl. verurteilt worden ist, an die Kl. 1.490,37 Euro nebst Zinsen zu zahlen, ist der Hauptbevollmächtigten des Bekl. am 23. 1. 2006 und den Unterbevollmächtigten, die für den Bekl. und dessen Hauptbevollmächtigte die Termine zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme vor dem AG wahrgenommen hatten, am 17. 1. 2006 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil hat der Bekl. mit einem am 20. 2. 2006 eingegangenen Schriftsatz seiner Hauptbevollmächtigten Berufung eingelegt.

[2] Das BerGer. hat die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen und hat zur Begründung ausgeführt: Bei den Unterbevollmächtigten habe es sich nach dem Vorbringen des Bekl. nicht ausschließlich um Terminsvertreter gehandelt. Sie seien daher zur Entgegennahme des ihnen am 17. 1. 2006 zugestellten Urteils bevollmächtigt gewesen. Die von der Hauptbevollmächtigten am 20. 2. 2006 eingelegte Berufung sei demnach verspätet.

II. [3] Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

Aus den Gründen:

[4]II. Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 522 I 4, 574 I Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 II Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des RechtsbeschwGer. erfordert. Das BerGer. hat die Berufung zu Unrecht als unzulässig verworfen und den Bekl. dadurch in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, das es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BGH, NJW 2004, 367 unter II 1 bb m.w. Nachw.). Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

[5]Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das BerGer. hat die Berufung des Bekl. zu Unrecht gem. § 522 I 2 ZPO als unzulässig verworfen. Entgegen der Ansicht des BerGer. ist die Berufung des Bekl. nicht verspätet, sondern fristgerecht.

[6]Die Zustellung des Urteils an die Unterbevollmächtigten des Bekl. am 17. 1. 2006 hat die Berufungsfrist nicht in Gang gesetzt. Die Zustellung in einem anhängigen Verfahren hat nach § 172 I 1 ZPO an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Zustellungen unter Verstoß gegen diese Vorschrift sind unwirksam und setzen Rechtsmittelfristen nicht in Lauf (vgl. BGHZ 61, 308 [310f.] = NJW 1974, 240; BGH, NJW-RR 1994, 127 unter II 1a; Wenzel, in: Münch-Komm-ZPO, Aktualisierungsbd., 2. Aufl., § 172 Rdnr. 19; Stein/Jonas/ Roth, ZPO, 22. Aufl., § 172 Rdnr. 23; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 172 Rdnr. 23). So liegt es hier, da die Unterbevollmächtigten des Bekl. nicht zu Prozessbevollmächtigten bestellt waren.

[7]Prozessbevollmächtigter i.S. des § 172 I 1 ZPO ist diejenige Person, der die Partei eine Prozessvollmacht erteilt hat, die nach § 81 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen ermächtigt; die Bestellung zum Prozessbevollmächtigten geschieht dadurch, dass dem Gericht die Bevollmächtigung ausdrücklich oder schlüssig zur Kenntnis gebracht wird (vgl. BGHZ 61, 308 [310f.] = NJW 1974, 240; Wenzel, in: Münch-Komm-ZPO, Aktualisierungsbd., § 172 Rdnrn. 5 u. 19; Stein/Jonas/Roth, § 172 Rdnrn. 7 u. 9; Zöller/Stöber, § 172 Rdnrn. 4 u. 6). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Unterbevollmächtigten des Bekl. nicht erfüllt.

[8]Eine Vollmachtsurkunde haben die Unterbevollmächtigten nicht vorgelegt. Die Unterbevollmächtigten sind gegenüber dem AG auch nicht in einer Weise aufgetreten, die den Schluss auf eine den gesamten Rechtszug umfassende Vertretungsmacht des Bekl. zugelassen hätte (vgl. dazu BGHZ 61, 308 [311] = NJW 1974, 240). Sie haben den Bekl. lediglich in der mündlichen Verhandlung und den Beweisaufnahmen vertreten, wobei die Protokolle ausdrücklich vermerken, dass sie in Untervollmacht für den Bekl. und dessen Hauptbevollmächtigte erschienen seien, die sämtliche Schriftsätze für den Bekl. eingereicht hatte. Bei dieser Sachlage waren die Unterbevollmächtigten lediglich als Terminsvertreter anzusehen (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 127). Auch der Bekl. hat, entgegen der Darstellung des BerGer., nicht behauptet, dass es sich bei den Unterbevollmächtigten nicht ausschließlich um Terminsvertreter gehandelt habe.

[9]Die einmonatige Berufungsfrist des § 517 ZPO begann demnach erst mit der Zustellung des Urteils an die Hauptbevollmächtigte des Bekl. am 23. 1. 2006. Die am 20. 2. 2006 eingelegte Berufung ist somit fristgerecht.


 

 



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