OLG Brandenburg Beschluß vom 18.05.2007 - 6 W 151/06 - Terminsgebühr im PKH Verfahren entfällt nicht bei Beauftragung eines Terminsvertreters
1. Der Anfall einer Terminsgebühr setzt nicht voraus, dass der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt den Termin selbst wahrgenommen hat.
2. In gleicher Weise wie der Mandant muss auch die Landeskasse die vertragsgemäße Erfüllung der Anwaltspflichten durch einen Vertreter gegen sich gelten lassen.
In dem Vergütungsfestsetzungsverfahren gemäß § 55 RVG
betreffend das selbstständige Beweisverfahren
Eheleute S. und J. H./I. H.-P. S. GmbH
an dem beteiligt sind:
1. Rechtsanwalt, ... Antragsteller und Beschwerdeführer,
2. die Landeskasse B.
vertreten durch den Bezirksrevisor bei dem Landgericht Frankfurt (Oder),
Beschwerdegegnerin,
hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in Brandenburg durch die Richterin am Oberlandesgericht … den Richter am Oberlandesgericht … und die Richterin am Oberlandesgericht …
am 18.05.2007
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Mai 2006 abgeändert.
In Abänderung der Festsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 14.3.2006 wird die dem Antragsteller aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 906,66 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Eheleute H. leiteten mit Antrag vom 2.3.2005 ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Mit Beschluss vom 22.7.2005 bewilligte ihnen das Landgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Antragstellers.
Am 18.10.2005 führte der Sachverständige einen Ortstermin durch. Daran nahm für die Eheleute H. Rechtsanwältin A. M. teil.
Mit Schriftsatz vom 25.1.2006 beantragte der Antragsteller die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten seiner Mandanten in Höhe von insgesamt 906,66 €. Darin enthalten war eine Terminsgebühr.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) setzte die aus der Landeskasse B. zu zahlende Vergütung auf 528,03 € fest. Die Festsetzung der Terminsgebühr lehnte sie ab mit der Begründung, der Ortstermin sei nicht durch den beigeordneten Rechtsanwalt wahrgenommen worden.
Dagegen hat der Antragsteller einen als „Beschwerde“ bezeichneten Rechtsbehelf eingelegt. Die „Beschwerde“ hat das Landgericht durch Beschluss vom 29.5.2006 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller begehrt weiterhin die Festsetzung einer Terminsgebühr. Er ist der Auffassung, der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt sei nicht gehalten, sämtliche Prozesshandlungen höchstpersönlich auszuführen. Sonst wäre ein im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt schlechter gestellt als ein „normaler Parteivertreter“. Außerdem widerspreche es § 5 RVG, dem beigeordneten Rechtsanwalt die Vergütungsansprüche für die Tätigkeit eines Sozietätsmitgliedes zu versagen.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß § 56 II 1 i. V. m. § 33 III RVG statthafte sofortige Beschwerde ist auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Die Terminsgebühr für die Teilnahme am vom Sachverständigen durchgeführten Ortstermin ist als gesetzliche Vergütung im Sinne von § 45 I RVG zugunsten des Antragstellers festzusetzen.
Der Festsetzung der Terminsgebühr steht nicht entgegen, dass nicht der Antragsteller persönlich den vom Sachverständigen durchgeführten Ortstermin wahrgenommen hat, sondern er sich im Termin von Rechtsanwältin M. vertreten ließ.
Zwar schuldet der Prozessbevollmächtigte der Partei grundsätzlich die nach dem Anwaltsvertrag zu erbringenden Dienste in eigener Person (§ 613 S. 1 BGB). Dennoch ist mit dem Auftreten eines Terminsvertreters für den Antragsteller als Prozessbevollmächtigten im Ortstermin für diesen die Terminsgebühr nach VV-RVG 3104 i. V. m. Vorbemerkung 3 III VV-RVG entstanden, als ob er selbst aufgetreten wäre. Der Anfall der Gebühr setzt nicht voraus, dass der Termin durch den Antragsteller als im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt höchstpersönlich wahrgenommen wurde. Nimmt der beigeordnete Rechtsanwalt die Tätigkeit nicht persönlich vor, sondern lässt er sich durch eine andere Person vertreten, so kann er die gesetzliche Vergütung unter den Voraussetzungen des § 5 RVG (zuvor § 4 BRAGO) verlangen (OLG Düsseldorf, Beschluss JurBüro 2005, 364; OLG Stuttgart Rpfleger 1996, 83 zu § 4 BRAGO).
§ 5 RVG sieht eine Vergütung auch für den Fall vor, dass der Rechtsanwalt, der eine Tätigkeit nicht persönlich erbringt, sich durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lässt (BGH, Beschluss vom 11.7.2006, VI ZB 13/06, Rn. 8 – zitiert nach Juris). In gleicher Weise wie der Mandant muss auch die Landeskasse die vertragsgemäße Erfüllung der Anwaltspflichten durch einen Vertreter im Sinne von § 5 RVG gegen sich gelten lassen, da die Beiordnung auf eine Anwaltstätigkeit im Rahmen eines privatrechtlichen Anwaltsvertrages abstellt (KG, Beschluss vom 15.3.1988, 1 WF 4349/87, Rn. 10 noch zu § 4 BRAGO, an dessen Stelle § 5 RVG getreten ist – zitiert nach Juris).
Danach war zugunsten des Antragstellers bei der Festsetzung seiner Vergütung eine Terminsgebühr von 1,2 gemäß VV-RVG 3104 nach einem Streitwert von 17.000 € in Höhe von 326,40 € zuzüglich Umsatzsteuer gemäß VV-RVG 7008 zu berücksichtigen.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 II 2, 3 RVG).