OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.12.2009 - 6 W 102/09 - nur eine Terminsgebühr, auch wenn

der Prozessbevollmächtigte im Termin die eigene Partei und auch deren Streitgenossen in Untervollmacht, vertritt.

Eine Terminsgebühr kann nur einmal liquidiert werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Prozessbevollmächtigte im Termin nicht nur die eigene Partei vertritt, sondern auch die Streitgenossen in Untervollmacht.

Wer von den Streitgenossen die Terminsgebühr zu tragen hat ist schwierig zu beantworten. Es gilt jedoch die Vermutung, dass derjenige die Terminsgebühr alleine im Innenverhältnis trägt, welcher sie in vollem Umfang zur Festsetzung der Kosten angemeldet hat.


Leitsätze:


1. Der Prozessbevollmächtigte, der im Termin nicht nur die eigene Partei, sondern in Untervollmacht auch deren Streitgenossen vertritt, kann die Terminsgebühr nicht zweimal liquidieren, sondern nur einmal.

2. Hat die eigene Partei die Terminsgebühr in vollem Umfang zur Kostenfestsetzung angemeldet, ist davon auszugehen, dass sie sie im Innenverhältnis aller Streitgenossen allein zu tragen hat.



Entscheidung:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 2.10.2008 - 6 O 550/05 - in Gestalt des teilabhelfenden Beschlusses vom 27.4.2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Kostenfestsetzungsgesuche der Beklagten zu 1.) und 2.) und zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat mit am 15.6.2007 verkündetem Urteil die auf Herausgabe verschiedener Gegenstände gerichtete Klage des Klägers gegen die vier Beklagten abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 10.3.2008 die Berufung des Klägers zurückgewiesen und dem Kläger die Kosten der Berufung auferlegt. Den Beklagten zu 1.) und 2.) war für beide Instanzen Prozesskostenhilfe bewilligt worden.

Die Beklagten zu 1.) und 2.) einerseits und die Beklagten zu 3.) und 4.) andererseits waren im Rechtsstreit jeweils durch einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vertreten. Im erstinstanzlichen Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.4.2007 erschien für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1.) und 2.) der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 3.) und 4.) in Untervollmacht.

Das Landgericht hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.7.2008 die von dem Kläger an die Beklagten zu 3.) und 4.) zu erstattenden Kosten für beide Instanzen auf 2.558,86 € festgesetzt. Darin enthalten ist eine 1,2-Terminsgebühr für das Verfahren erster Instanz.

Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2.10.2008 hat das Landgericht die von dem Kläger an die Beklagten zu 1.) und 2.) für beide Instanzen zu erstattenden Kosten auf 1.682,30 € festgesetzt, wobei es für jede Instanz die aus der Staatskasse erhaltene PKH-Vergütung in Höhe von insgesamt 1.945,18 € von dem Erstattungsbetrag in Höhe von 3.627,48 € abgezogen hat. Die anwaltlichen Vertreter der Beklagten zu 1.) und 2.) haben dabei für die erste Instanz ebenfalls eine 1,2-Terminsgebühr berechnet.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2.10.2008, der ihm am 28.10.2008 zugestellt worden ist, wendet sich der Kläger mit seiner am 11.11.2008 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Dabei beanstandet er zum einen die für die erste Instanz festgesetzt Terminsgebühr in Höhe von 538,80 € zzgl. Mehrwertsteuer mit der Begründung, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 3.) und 4.) sei für die Beklagten zu 1.) und 2.) im Termin aufgetreten, zu dessen Gunsten sei bereits eine Terminsgebühr festgesetzt, die Terminsgebühr für die Tätigkeit desselben Anwalts könne nicht noch ein weiteres Mal festgesetzt werden.

Des weiteren hat der Kläger sich gegen die Festsetzung einer Terminsgebühr für die zweite Instanz in Höhe von 538,80 € netto und einer wegen mehreren Auftraggebern erhöhten Verfahrensgebühr für ein zweitinstanzliches Gehörsrügeverfahren in Höhe von insgesamt 359,20 € netto gewendet.

Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 27.4.2009 dem Rechtsbehelf teilweise abgeholfen, soweit es die zweitinstanzlichen Gebühren angeht, und den von dem Kläger an die Beklagten zu 1.) und 2.) zu zahlenden Betrag auf 1.108,12 € festgesetzt. Dabei hat er berücksichtigt, dass die PKH-Vergütung für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1.) und 2.) für die zweite Instanz herabzusetzen ist. Der sofortigen Beschwerde hinsichtlich der Terminsgebühr für die erste Instanz hat er nicht abgeholfen und sie mit Verfügung vom selben Tage dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt den Beschwerdewert von 200,00 €.

Die sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Kostenfestsetzungsverfahrens an das Landgericht.

Zugunsten der Beklagten zu 1.) und 2.) kann keine Terminsgebühr für das Verfahren erster Instanz festgesetzt werden. Eine Terminsgebühr ist nicht entstanden.

Die Beklagten zu 1.) und 2.) haben an ihrem Wohnort einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten beauftragt. Dieser ist nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung in erster Instanz angereist und hat deshalb auch selbst keine Terminsgebühr verdient.

Die Beklagten zu 1.) und 2.) können nicht geltend machen, sie hätten ihrem Prozessbevollmächtigten eine Terminsgebühr deshalb zu entrichten, weil dieser den anwaltlichen Vertreter der Beklagten zu 3.) und 4.) als Unterbevollmächtigten eingeschaltet hätte, Nr. 3402 VV RVG. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 3.) und 4.) hat nur eine Terminsgebühr verdient, diese ist bereits zugunsten der Beklagten zu 3.) und 4.) festgesetzt worden. Die zusätzliche Vertretung der Beklagten zu 1.) und 2.) im Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem er auch für die Beklagten zu 3.) und 4.) aufgetreten ist, löst keine zweite Terminsgebühr aus. Dem steht § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG entgegen, wonach der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann. Die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 3.) und 4.) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.4.2007 für alle vier Beklagten entfaltete Tätigkeit stellte für ihn insgesamt dieselbe Angelegenheit dar.

Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtliche Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt zu besorgen hat. Der Begriff der Angelegenheit schließt eine Vielzahl anwaltlicher Tätigkeiten zu einer gebührenrechtlichen Einheit zusammen und grenzt bei mehreren Auftraggebern die Tätigkeiten, für die eine Gesamtvergütung zu berechnen ist, von den Tätigkeiten ab, für die der Rechtsanwalt getrennte Gebühren verlangen kann. Dabei ist die Angelegenheit weder an den Auftrag noch an die Person des Auftraggebers gebunden.

Das RVG geht - wie die BRAGO - von der Vorstellung aus, dass die Angelegenheit bei der Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren im Allgemeinen mit diesem Verfahren identisch ist. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG, nach der die Gebühren in jedem Rechtszug gefordert werden können, stellt deshalb eigens klar, dass nicht das gesamte Verfahren als eine Angelegenheit, sondern jeder Rechtszug als besondere Angelegenheit zu behandeln ist. Daraus ergibt sich der Umkehrschluss, dass innerhalb desselben prozessualen Rechtszugs nur dann mehrere Angelegenheiten vorliegen, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist. Der Fall der zusätzlichen Vertretung weiterer Beklagter, nachdem bereits eine Prozessvollmacht von anderen Beklagten erteilt worden ist, fällt nicht unter einen der in den §§ 17 und 18 RVG geregelten Zweifels- und Ausnahmefälle, genauso wenig wie die Tätigkeit eines Anwalts nach einem Parteiwechsel im selben Rechtsstreit.

Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten, in dem dem anwaltlichen Vertreter der Beklagten zu 3.) und 4.) nicht eine Prozessvollmacht für die Beklagten zu 1.) und 2.) erteilt worden ist, sondern lediglich eine Vollmacht zu deren Vertretung im Termin. Der Anwalt, der zwei Beklagte in Prozessvollmacht vertritt und zwei weitere Beklagte in Terminsvollmacht, kann nicht höhere Gebühren verdienen als der Anwalt, der von allen Beklagten Prozessvollmacht erhalten hat.

Die Beklagten zu 1.) und 2.) können auch nicht geltend machen, sie hafteten hinsichtlich der Terminsgebühr dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 3.) und 4.) jedenfalls nach Kopfteilen, so dass die Hälfte der Terminsgebühr zu ihren Gunsten festzusetzen wäre. Da die Beklagten zu 3.) und 4.) die Terminsgebühr in vollem Umfang zur Kostenfestsetzung gegen den Kläger angemeldet haben, haben sie zum Ausdruck gebracht, dass sie sie im Innenverhältnis aller Beklagten allein zu tragen haben. Bei einer derartigen Fallkonstellation scheidet eine Festsetzung nach Kopfteilen aus.

III.

Das Beschwerdegericht entscheidet nicht in der Sache, sondern verweist das Kostenfestsetzungsverfahren zur erneuten Entscheidung über die Kostenfestsetzungsanträge der Beklagten zu 1.) und 2.) an das Landgericht zurück, weil auch die von der Staatskasse an die Beklagten zu 1.) und 2.) zu zahlenden Beträge, die von den festzusetzenden Kosten abzuziehen sind, in Streit sind. Auch dort wäre eine Korrektur vorzunehmen, weil die anwaltlichen Vertreter der Beklagten zu 1.) und 2.) erstinstanzlich keine Terminsgebühr verdient haben.

Das Landgericht wird dann auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden haben. Die Festsetzung des Beschwerdewertes unterbleibt, weil sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Streitwert berechnen, vgl. § 63 Abs. 1 GKG. Im Beschwerdeverfahren wird eine Festgebühr erhoben, wenn die Beschwerde erfolglos bleibt, Nr. 1812 KV GKG, anderenfalls entstehen keine Gerichtsgebühren.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.


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