BGH, Urteil vom 01. Juni 2006 – I ZR 268/03 – Kein Wettbewerbsverstoß bei Unterschreitung der gesetzliche Gebührenansprüche des Terminsvertreters,

wenn die Beauftragung im Namen des Prozeßbevollmächtigten selbst erfolgt

Eine Unterschreitung der gesetzlichen Gebührenansprüche bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts als Terminsvertreter durch die Partei selbst ist hingegen nach § 1 UWG (a.F.) i.V. mit § 49b Abs. 1 BRAO unzulässig. Es ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob die Terminsvertretung dem Kläger vom Beklagten im eigenen Namen oder im Namen der Mandantin angetragen worden ist.

Die Parteien sind Rechtsanwälte. Der Kläger hatte den Beklagten auf Unterlassung nach dem UWG in Anspruch genommen, da dieser ihm eine Terminsvertretung zu weniger als den gesetzlichen Gebühren angetragen hatte. Da die Vorstehende Unterscheidung nicht getroffen wurde, hatte die Klage nur zu 50 % Erfolg.

Die Entscheidung lautet:

Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve vom 21. November 2003 teilweise aufgehoben.

 

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Amtsgerichts Emmerich am Rhein vom 25. Februar 2003 - 2 C 2/03 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

 

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Rechtsanwälten Terminsvertretungsmandate zu niedrigeren als den gesetzlichen Gebühren im Namen des jeweiligen Mandanten anzutragen oder zu erteilen.

 

Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € angedroht.

 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Emmerich. Der Beklagte, der als Rechtsanwalt in einer Kanzlei in Dortmund tätig ist, vertritt ständig die S-Unfallversicherung. Er wandte sich mit Schreiben vom 20. September 2002 an den Kläger mit der Bitte um Wahrnehmung des Termins in einem Rechtsstreit der S-Unfallversicherung vor dem Amtsgericht Emmerich. In dem Schreiben heißt es u.a.:

Wir bitten Sie, unsere ständige Mandantin, S-Unfallversicherung a.G., in obiger Angelegenheit zu vertreten und obigen Termin zur mündlichen Verhandlung für uns wahrzunehmen. Des weiteren bitten wir, dass die entstehenden Gebühren (einschl. § 26 BRAGO) - mit Ausnahme der Korrespondenzanwaltsgebühr, Kosten eines Unterbevollmächtigten pp., die üblicherweise nicht als erstattungsfähig angesehen werden - zwischen uns geteilt werden.
Der Kläger, der die Übernahme des Mandats ablehnte, ist der Auffassung, der Beklagte habe die Übertragung des Mandats von einer unzulässigen Unterschreitung der Anwaltsgebühren abhängig gemacht und sich dadurch wettbewerbswidrig verhalten. Der Kläger hat beantragt, den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Rechtsanwälten Terminsvertretungsmandate zu niedrigeren als den gesetzlichen in §§ 53 und 33 Abs. 3 BRAGO festgehaltenen Gebühren anzutragen oder zu erteilen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat das Unterlassungsbegehren nach § 1 UWG (a.F.) i.V. mit § 49b Abs. 1 BRAO für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

Das Angebot des Beklagten zur Mandatsübernahme enthalte das Ansinnen an den Kläger, gegen eine unter den gesetzlichen Gebühren liegende Vergütung tätig zu werden. Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts zu niedrigeren als den gesetzlichen Gebühren verstoße gegen § 49b Abs. 1 BRAO. Bereits der Vorschlag des Beklagten zu einem solchen Verhalten sei wettbewerbsrechtlich unlauter. Dies gelte unabhängig davon, ob der Beklagte den Kläger im eigenen oder im Namen seiner Mandantin mit der Terminswahrnehmung beauftragt habe. Das Gesetz lasse eine Unterschreitung der Höhe der gesetzlichen Gebühren aufgrund persönlicher Merkmale nur im Rahmen des § 49b Abs. 1 Satz 2 BRAO zu. Es räume einem Rechtsanwalt nicht das Recht ein, die gesetzlichen Gebühren für den Fall zu ermäßigen, dass ein anderer Rechtsanwalt sein Auftraggeber sei. Die Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung durch einen anderen als den sachbearbeitenden Rechtsanwalt sei auch keine gemeinsame Bearbeitung eines Auftrags durch mehrere Rechtsanwälte i.S. von § 49b Abs. 3 Satz 5 BRAO.

II. Die Revision ist teilweise begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG a.F. und §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 UWG nur im zuerkannten Umfang zu. Der Beklagte hat einen Wettbewerbsverstoß im Sinne dieser Vorschriften begangen, weil er mit seinem Schreiben vom 20. September 2002 den Kläger dazu veranlassen wollte, die Vertretung der Mandantin zu geringeren als den in § 53 BRAGO vorgesehenen Gebühren zu übernehmen.

1. Die berufsrechtlichen Bestimmungen über Mindestpreise nach der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung und dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz sind Vorschriften, denen eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion zukommt. Sie sollen einen Preiswettbewerb um Mandate und die mittelbare Vereinbarung von Erfolgshonoraren in gerichtlichen Verfahren verhindern. Bei derartigen Mindestpreis-vorschriften handelt es sich daher um Marktverhaltensregeln i.S. des § 4 Nr. 11 UWG. Ihre Verletzung ist wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG a.F. und §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.

2. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der Beklagte den Kläger im eigenen Namen oder im Namen der S-Unfallversicherung mit der Terminsvertretung beauftragt hat. Es hat angenommen, der Beklagte habe mit seinem Schreiben vom 20. September 2002 dem Kläger, unabhängig von der Frage, in wessen Namen die Mandatserteilung erfolgte, die Terminsvertretung gegen eine Vergütung angetragen, durch die die Mindestgebühren nach der BRAGO unterschritten würden. Dieser Ansicht des Berufungsgerichts kann nicht beige-treten werden. Nur wenn der Beklagte - wovon im Streitfall auszugehen ist (vgl. Abschnitt II 3 b) - dem Kläger die Terminsvertretung namens seiner Partei an-trug, entsprachen die dem Kläger angebotenen Gebühren nicht der in § 53 BRAGO für die Terminsvertretung vorgesehenen Vergütung.

a) Der Rechtsanwalt, dem die Partei oder mit deren Einverständnis der Prozessbevollmächtigte nur für die mündliche Verhandlung die Vertretung oder die Ausführung der Parteirechte übertragen hat, erhält nach § 53 Satz 1 und Satz 3 BRAGO eine halbe Prozessgebühr und eine Verhandlungs- oder Erörte-rungsgebühr und, soweit sich die Vertretung auch auf eine Beweisaufnahme erstreckt, die Beweisgebühr.
Nach der Rechtsprechung des Senats und der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum erhält der mit der Terminsvertretung beauftragte Rechtsanwalt die Gebühren des § 53 BRAGO entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift nur, wenn ihm die Partei oder mit deren Einverständnis der Prozess-bevollmächtigte die Vertretung oder die Ausführung der Parteirechte übertragen hat. Erteilt dagegen der Prozessbevollmächtigte einem Terminsvertreter im ei-genen Namen den Auftrag zur Terminswahrnehmung, so wird kein Vertrags-verhältnis zwischen der Partei und dem Terminsvertreter begründet. Die Pflicht zur Entschädigung des Terminsvertreters richtet sich nach der internen Verein-barung zwischen dem Terminsvertreter und dem Prozessbevollmächtigten, der für die Ansprüche des Terminsvertreters einzustehen hat. Ein Verstoß gegen § 49b Abs. 1 BRAO ist nicht gegeben, wenn der Terminsvertreter in einem der artigen Fall weniger als die in § 53 BRAGO vorgesehenen Gebühren erhält, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift - das übersieht das Berufungsgericht in seiner gegenteiligen Entscheidung - nicht vorliegen.

b) Soweit gegen die Rechtsprechung des Senats Bedenken erhoben worden sind, wurden diese auf die Gefahr einer nicht ausreichenden Entlohnung des Terminsvertreters bei gleichwohl bestehendem Haftungsrisiko gestützt. Dass in der Anwaltschaft in einem ins Gewicht fallenden Umfang unangemessene Gebührenvereinbarungen zu Lasten des Terminsvertreters getroffen werden, haben aber weder der Kläger konkret dargelegt noch das Berufungsgericht festgestellt. Vielmehr hat der Beklagte im vorliegenden Fall eine hälftige Gebührenteilung angeboten, die in derartigen Fällen weit verbreiteter Übung entspricht und gegen die unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit im Regelfall keine Bedenken bestehen (vgl. auch § 22 BORA zur hälftigen Teilung der Gebühren im Fall des § 49b Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BRAO).

c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht anhand der nach dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 5. Mai 2004 seit dem 1. Juli 2004 geltenden Gesetzeslage geboten. Durch sie hat sich an der Unzulässigkeit einer Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren bei der Einschaltung eines Terminsvertreters im Namen der Partei und an der Zulässigkeit einer Gebührenvereinbarung ohne Bindung an die Gebührentatbestände gemäß Nr. 3401 und Nr. 3402 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bei der Beauftragung des Terminsvertreters im Namen des Prozessbevollmächtigten nichts geändert.

Beauftragt der Prozessbevollmächtigte den Terminsvertreter im eigenen Namen, hat der Prozessbevollmächtigte nach § 5 RVG einen Vergütungsanspruch nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gegen die eigene Partei. Auch in diesem Fall kommt ein Vertragsverhältnis zwischen dem Terminsvertreter und dem Prozessbevollmächtigten und nicht mit der Partei zustande. Für die Verteilung der Vergütung ist die hierzu zwischen dem Terminsvertreter und dem Prozessbevollmächtigten getroffene interne Absprache ohne Bindung an die in Nr. 3401 und Nr. 3402 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorgesehenen Gebühren maßgeblich. In Ermangelung einer entsprechenden Vereinbarung ist regelmäßig eine hälftige Teilung der Gebühren. Diesem Ergebnis steht § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht entgegen. Danach bemisst sich die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach dem RVG. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist auf das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant beschränkt. Denn der mit der Einführung von Mindestgebühren verfolgte Zweck, einen ruinösen Preiswettbewerb um Mandate zu verhindern, wird bei einer angemessenen Aufteilung der dem Prozessbevollmächtigten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zustehenden Vergütung nicht berührt. Auch der Entstehungsgeschichte des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist nichts dafür zu entnehmen, dass die zuvor bereits ohne Bindung an § 53 BRAGO von der Rechtsprechung als zulässig angesehene Gebührenteilung abgeschafft werden sollte.
Im Übrigen könnte eine sich erstmals aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ergebende Unzulässigkeit der in Rede stehenden Gebührenteilung zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs nicht herangezogen werden, der - wie im Streitfall - aus einem Verhalten des Beklagten vor Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes hergeleitet wird.

3. Danach kommt es für die Frage, ob der Beklagte mit dem Auftragsschreiben vom 20. September 2002 den Kläger dazu veranlassen wollte, unter Verstoß gegen § 49b Abs. 1 BRAO, § 53 BRAGO eine unterhalb der gesetzlichen Gebühren liegende Vergütungsvereinbarung zu treffen, darauf an, ob die Terminsvertretung dem Kläger vom Beklagten im eigenen Namen oder im Namen der Mandantin angetragen worden ist.

a) Die gebotene Auslegung des Schreibens des Beklagten vom 20. September 2002 hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen und die Frage offen gelassen, in wessen Namen der Kläger mit der Terminsvertretung beauftragt werden sollte. Die Auslegung des Schreibens vom 20. September 2002 kann der Senat vornehmen, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind und die Sache zur abschließenden Entscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO reif ist.

b) Nach dem Wortlaut des Schreibens vom 20. September 2002 sollte der Kläger die Mandantin des Beklagten vertreten. Daraus folgt, dass der Beklagte den Kläger nicht im eigenen Namen beauftragt, sondern namens der S-Unfallversicherung gehandelt hat. Dem Schreiben des Beklagten ist auch nichts dafür zu entnehmen, dass er für eine Gebührenforderung des Klägers persönlich einstehen wollte. Soweit der Kläger nach dem weiteren Inhalt des Schreibens vom 20. September 2002 den Termin für das Rechtsanwaltsbüro, dem der Beklagte angehört, wahrnehmen sollte, folgt daraus keine Beauftragung im eigenen Namen, sondern nur der Umfang der Übertragung des Mandats zur Terminsvertretung. Für das Ergebnis der Auslegung des Schreibens vom 20. September 2002 ist das weitere Schreiben des Beklagten an den Kläger vom 30. September 2002 ohne Bedeutung, weil dieses Schreiben der Abmahnung des Klägers nachfolgte und nach der Rüge des Wettbewerbsverstoßes nicht mehr geeignet ist, das nach seinem objektiven Erklärungsinhalt zu beurteilende Schreiben vom 20. September 2002 durch einen Hinweis auf einen redaktionellen Fehler zu relativieren.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.





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