BGH, Urteil vom 5. 10. 2006 - I ZR 24/04 - Gebührenvereinbarung 60/40 ist zulässig

(LG Kleve, Urteil vom 30. 1. 2004 - 8 S 5/02) bei einer Beauftragung im Namen des Prozeßbevollmächtigten


Eine Gebührenvereinbarung 60/40 zwischen dem Terminsvertreter und dem Prozessbevollmächtigten verstößt nicht gegen § 49b I BRAO.
Die Entscheidung lautet:

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve vom 21. November 2003 teilweise aufgehoben.

 

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Amtsgerichts Emmerich am Rhein vom 25. Februar 2003 - 2 C 2/03 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

 

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Rechtsanwälten Terminsvertretungsmandate zu niedrigeren als den gesetzlichen Gebühren im Namen des jeweiligen Mandanten anzutragen oder zu erteilen.

 

Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € angedroht.

 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand


Der Kl. ist Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Emmerich. Die Bekl., die als Rechtsanwälte in einer Kanzlei in Hamburg tätig sind, vertraten das spanische Unternehmen S S.A. in einem Rechtsstreit vor dem AG Emmerich. Sie wandten sich mit Schreiben vom 28. 6. 2002 an den Kl. mit der Bitte um Wahrnehmung des Termins in dem Rechtsstreit der S S.A. In dem Schreiben heißt es unter anderem:

„Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen,

in diesem Rechtsstreit vertreten wir die klagende Partei. Wir bitten Sie - wie bereits heute vorab telefonisch mit Ihrer Frau Sc besprochen -, den anberaumten Termin in Untervollmacht für uns wahrzunehmen, und dies dem Gericht sicherheitshalber vorher schriftlich anzuzeigen. Der Verkehr mit dem Mandanten und die Fertigung der Schriftsätze geschieht ausschließlich von uns aus. Wir gehen daher von Ihrem Einverständnis dahingehend aus, dass die anfallenden Gebühren im Verhältnis 60/40 zu unseren Gunsten geteilt werden. Ferner weisen wir darauf hin, dass eine allfällige Beweis- oder Vergleichsgebühr der Mandantschaft nur einmal berechnet wird, da wir eine zweimalige Berechnung der Mandantschaft nicht zumuten können.

Bitte stellen Sie Ihre Rechnungen aus steuerlichen Gründen ausschließlich auf unsere Kanzlei aus“.

Der Kl., der die im Auftragsschreiben vorgeschlagene Gebührenteilung ablehnte und dem die Bekl. daraufhin das Mandat entzogen, ist der Auffassung, die Bekl. hätten die Übertragung des Mandats von einer unzulässigen Unterschreitung der Anwaltsgebühren abhängig gemacht und sich dadurch wettbewerbswidrig verhalten.

Der Kl. hat beantragt, die Bekl. unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Rechtsanwälten Untervollmachtsmandate zu niedrigeren als den gesetzlichen Gebühren anzutragen oder zu erteilen, insbesondere unter der Bedingung, dass „die anfallenden Gebühren im Verhältnis 60/40 zu unseren Gunsten“ geteilt werden.

Das AG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Bekl. ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer - vom BerGer. zugelassenen - Revision verfolgten die Bekl. ihren Antrag auf Abweisung der Klage erfolgreich weiter.

Aus den Gründen:

I.

Das BerGer. hat das Unterlassungsbegehren nach § 1 UWG a.F.i.V. mit § 49b I BRAO für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

Der Umstand, dass die Bekl. den Kl. nicht - wie dieser meine - im Namen ihrer Mandantin, sondern im eigenen Namen beauftragt hätten, ändere nichts daran, dass sie dem Kl. angesonnen hätten, unter Verstoß gegen § 49b I BRAO zu niedrigeren als den gesetzlichen Gebühren tätig zu werden. Die in der Entscheidung „Gebührenvereinbarung I“ (NJW 2001, 753 = GRUR 2001, 256) vorgenommene gegenteilige Beurteilung laufe dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zuwider und erscheine auch mit dem standesrechtlichen Selbstverständnis der Anwaltschaft nicht vereinbar. Soweit die Bestimmungen des § 49b I 2 und III 5 BRAO Gebührenunterschreitungen bzw. -teilungen ausnahmsweise zuließen, lägen deren Voraussetzungen nicht vor. Der von den Bekl. behauptete Umstand, dass Gebührenvereinbarungen wie die von ihnen dem Kl. angesonnene „allgemein anerkannt und üblich sein dürften“, ändere nichts an der Gesetz- und Wettbewerbswidrigkeit der Verhaltensweise der Bekl.

II.

Die Revision ist begründet. Die vom BerGer. vorgenommene Beurteilung hält weder mit der im angefochtenen Urteil gegebenen Begründung noch im Ergebnis der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

1. Die berufsrechtlichen Bestimmungen über Mindestpreise nach der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung und dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz sind Marktverhaltensregelungen i.S. des § 4 Nr. 11 UWG. Ihre Verletzung ist wettbewerbswidrig i.S. der § 1 UWG a.F., §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (BGH, GRUR 2006, 955 = WRP 2006, 1221, Tz. 11 - Gebührenvereinbarung II, m.w. Nachw.).

2. Das BerGer. hat angenommen, dass die Bekl. den Kl. im eigenen Namen mit der Terminsvertretung beauftragt haben. Die Pflicht zur Entschädigung des Terminsvertreters richtet sich in einem solchen Fall nach der internen Vereinbarung zwischen dem Terminsvertreter und dem Prozessbevollmächtigten, der für die Ansprüche des Terminsvertreters einzustehen hat. Wenn der Terminsvertreter dabei weniger als die in § 53 BRAGO vorgesehenen Gebühren erhält, liegt kein Verstoß gegen § 49b I BRAO vor (BGH, NJW 2001, 753 = GRUR 2001, 256 [257] = WRP 2001, 144 - Gebührenvereinbarung I; GRUR 2006, 955 = WRP 2006, 1221, Tz. 14-18 - Gebührenvereinbarung II, m.w. Nachw.).

3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht deshalb im Ergebnis als richtig dar, weil - wie die Revisionserwiderung mit ihrer Gegenrüge geltend macht - die Bekl. den Kl. entgegen der Beurteilung des LG nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der S S.A. mit der Terminsvertretung beauftragt haben. Die vom LG vorgenommene Auslegung des Schreibens vom 28. 6. 2002 lässt keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen.

a) Nach der Auffassung des BerGer. enthält die Mandatserteilung mit den Worten „wir bitten Sie …, den anberaumten Termin in Untervollmacht für uns wahrzunehmen“ keinen Hinweis darauf, dass sie im fremden Namen erfolgen sollte, und sprechen auch ansonsten keine Umstände dafür, dass der Auftrag im fremden Namen erteilt werden sollte. Die Aufforderung in dem Schreiben, die Rechnung aus steuerlichen Gründen ausschließlich auf den Namen der Bekl. auszustellen, könne zwar als Ansinnen, die Rechnung einem anderen als dem Auftraggeber zu erteilen, aber auch als Bitte verstanden werden, die Rechnung auf die Bekl. auszustellen, weil diese aus steuerlichen Gründen selbst Auftraggeber sein wollten.

b) Diese Beurteilung entspricht der Auslegungsregel, wonach von einem Eigengeschäft auszugehen ist, wenn Zweifel verbleiben, ob ein Fremdgeschäft oder ein Eigengeschäft vorliegt (vgl. § 164 II BGB; BGHZ 85, 252 [258] = NJW 1983, 820; BGH, NJW 1992, 1380 [1381]; Habermeier, in: Bamberger/Roth, BGB, § 164 Rdnr. 47 m.w. Nachw.). Sie lässt auch ansonsten keinen revisionsrechtlich erheblichen Fehler erkennen.



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