LG Flensburg, Beschluss vom 06. Juli 2018 – 3 O 291/16 – Die Kosten eines Unterbevollmächtigten ansatzfähig,
soweit die hierdurch entstandenen Mehrkosten die ersparten, erstattungsfähigen (fiktiven) Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht (wesentlich) übersteigen
Die Kosten eines vom auswärtigen Prozessbevollmächtigten einer Partei selbst mit der Terminswahrnehmung beauftragten Rechtsanwalts sind erstattungsfähig und damit iRd. Kostenfestsetzungsverfahrens anzusetzen, wenn und soweit der Prozessbevollmächtigte diese Kosten nach den Umständen für erforderlich halten darf.
Die Gegenteilige Auffassung wird vertreten voon:
OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.07.2017 - 8 W 321/15 -
OLG Koblenz, Beschluss vom 25.07.2012 - 14 W 400/12 -
LG Flensburg, Beschluss vom 12.03.2018 - 6 HKO 69/16 -
wie hier wurde entschieden:
LG Flensburg, Beschluss vom 08.12.2017 - 8 T 4/17 -
Tenor
Auf die Erinnerung der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Flensburg vom 23.04.2018 wie folgt abgeändert:
Die aufgrund des vor dem Landgericht Flensburg am 31.012018 geschlossenen Vergleichs von der Klägerin an die Beklagten als Gesamtgläubiger gemäß § 106 ZPO zu erstattenden Kosten werden auf
862,78 € (in Worten: achthundertzweiundsechzig 78/100 Euro)
nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.02.2018 festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I.
1 Die Klägerin begehrt im Kostenfestsetzungsverfahren unter anderem den Ansatz der Kosten eines für die Terminswahrnehmung unterbevollmächtigten Rechtsanwalts in Höhe von 212,40 zuzüglich Umsatzsteuer, insgesamt 252,76 €. Der Rechtsstreit ist im Termin durch einen Vergleich beendet worden, die Kosten des Rechtsstreits sind zu 76 % von der Klägerin und zu 24 % von den Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen. Der Streitwert ist auf 5.001,81 € festgesetzt worden. Der Unterbevollmächtigte hat dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin für die Wahrnehmung des Termins eine 0,6 Terminsgebühr (212,40 €) zuzüglich Mehrwertsteuer, insgesamt 252,76 € in Rechnung gestellt. Der Rechtspfleger des Landgerichts hat diese Kosten im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss nicht angesetzt. Hiergegen richtet sich die als sofortige Beschwerde bezeichnete Erinnerung der Klägerin.
II.
2 1. Die Erinnerung ist zulässig.
3 Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 08.05.2018 wäre als solche unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstands aufgrund der vorzunehmenden Quotierung 200 € nicht übersteigt (§ 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 2 ZPO). Der Rechtsbehelf ist deshalb als befristete Erinnerung iSd. § 11 Abs. 2 RPflG zu verstehen. Als solche ist sie statthaft und fristgerecht eingelegt worden.
4 2. Die Erinnerung ist begründet.
5 Die Kosten eines vom auswärtigen Prozessbevollmächtigten einer Partei selbst mit der Terminswahrnehmung beauftragten Rechtsanwalts sind erstattungsfähig und damit iRd. Kostenfestsetzungsverfahrens anzusetzen, wenn und soweit der Prozessbevollmächtigte diese Kosten nach den Umständen für erforderlich halten darf. Soweit dies in der Rechtsprechung (OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.07.2017 - 8 W 321/15, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 25.07.2012 - 14 W 400/12, juris Rn. 2; LG Flensburg, Beschluss vom 12.03.2018 - 6 HKO 69/16, juris) anders beurteilt wird, teilt das Gericht diese Auffassung nicht (wie hier: LG Flensburg, Beschluss vom 08.12.2017 - 8 T 4/17, n.v.). Im Einzelnen:
6 a) Die Erstattungsfähigkeit von Kosten im iRd. Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 104, § 106 ZPO bestimmt sich nach § 91 Abs. 1 und 2 ZPO. Erstattungsfähig sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO), insbesondere die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
7 Wird ein Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung eines Gerichtstermins für eine durch einen auswärtigen Prozessbevollmächtigten vertretene Partei beauftragt, ist im Ausgangspunkt zu unterscheiden, ob der Rechtsanwalt von der Partei selbst (oder in deren Namen und mit ihrem Einverständnis) (dazu unter aa) oder von deren Prozessbevollmächtigten im eigenen Namen (dazu unter bb) beauftragt wird. Die jeweiligen Kosten sind dann erstattungsfähig, wenn die gewählte Art der Beauftragung die kostengünstigste Maßnahme einer Terminswahrnehmung war, was durch einen Vergleich festzustellen ist (dazu unter cc).
8 aa) Erteilt die Partei selbst (oder in deren Namen und mit ihrem Einverständnis ihr Prozessbevollmächtigter) einem anderen Rechtsanwalt (im Folgenden: Terminsvertreter) den Auftrag zur Vertretung in einem Termin, begründet dies ein Vertragsverhältnis zwischen der Partei und dem Terminsvertreter. In diesem Fall fällt eine Terminsgebühr für den Prozessbevollmächtigten (Nr. 3104 VV RVG) nicht an, dafür kann der Terminsvertreter eine halbe Verfahrensgebühr (Nr. 3401 VV RVG) und eine Terminsgebühr (Nr. 3402 VV RVG) abrechnen, ggf. zuzüglich Auslagen. Diese Beauftragung eines Terminsvertreters durch die Partei verursacht erstinstanzlich in der Regel insgesamt 3,15 Gebühren (für den Prozessbevollmächtigten: 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3104 VV RVG; für den Terminsvertreter: 0,65 Verfahrensgebühr nach Nr. 3401 VV RVG und 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3402 VV RVG) gegenüber insgesamt 2,5 Gebühren (1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG und 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG) bei einer Terminswahrnehmung durch den Prozessbevollmächtigten selbst, also zumindest Mehrkosten von 0,65 Gebühren zuzüglich Auslagen des Terminsvertreters.
9 bb) Erteilt der Prozessbevollmächtigte einem anderen Rechtsanwalt (im Folgenden: Unterbevollmächtigter) den Auftrag zur Vertretung in einem Termin im eigenen Namen, begründet dies ein Vertragsverhältnis nur zwischen diesen, nicht aber zur Partei. In diesem Fall verdient der Unterbevollmächtigte die gesetzlichen Gebühren für den Prozessbevollmächtigten, er selbst kann nur gegenüber dem Prozessbevollmächtigten abrechnen. Seine Vergütung richtet sich allein nach der internen Vereinbarung mit dem Prozessbevollmächtigten (BGH, Beschluss vom 26.02.2014 - XII ZB 499/1 1, juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 13.07.2011 - IV ZB 8/11, juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 01.06.2006 - I ZR 268/03, juris Rn. 14); ohne eine besondere Vereinbarung erhält er von dem Prozessbevollmächtigten eine halbe Verfahrensgebühr nach Nr. 3401 VV RVG (sowohl BGH, Beschluss vom 26.02.2014 — XII ZB 499/1 1, juris Rn. 14 in einem obiter dictum) und eine Terminsgebühr nach Nr. 3402 VV RVG, ggf. zuzüglich Auslagen. Für den Prozessbevollmächtigten wiederum, der selbst insgesamt 2,5 Gebühren (1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG und 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG) verdient, steilen die Kosten des Unterbevollmächtigten Auslagen dar, welche er gegenüber der Partei geltend machen kann, wenn er diese Aufwendungen den Umständen nach für erforderlich halten durfte (§ 5 RVG iVm. Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG iVm. § 675, § 670 BGB). Für erforderlich halten darf der Prozessbevollmächtigte diese Kosten jedenfalls dann, wenn diese Art der Beauftragung die kostengünstigste Maßnahme einer Terminswahrnehmung war.
10 cc) Im Kostenfestsetzungsverfahren richtet sich die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Terminsvertreters allein nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und nicht nach § 91 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO, weil die letztere Bestimmung nur die Beauftragung eines oder mehrerer Hauptbevollmächtigter regelt (BGH, Beschluss vom 16.10.2002 VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898 mwN). Hingegen richtet sich die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, eben weil von der Partei nur ein Hauptbevollmächtigter beauftragt wurde. In beiden Fällen gilt jedoch der Grundsatz, dass nur solche Kosten anzusetzen sind, die eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei als sachdienlich ansehen darf. Dabei darf die Partei ihre berechtigten Interessen verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Sie trifft aber die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen (BGH, Beschluss vom 06.11.2014 - I ZB 38 14, juris Rn. 9 mwN).. Nur die Kosten der günstigeren Maßnahme sind zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig iSd. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO (für den Fall der Terminsvertretung) bzw. erforderlich iSd. Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG iVm. § 675, § 670 BGB und damit eine gesetzliche Auslage iSd. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO (für den Fall der Untervollmacht).
11 Nach diesem Grundsatz, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen, ist eine Partei nicht gehalten, einen Gerichtstermin durch einen Terminsvertreter oder Unterbevollmächtigten wahrnehmen zu lassen, um Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten zu ersparen - wird die Beauftragung eines nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts als aus der Sicht einer verständigen Partei notwendig anerkannt, ist ihr regelmäßig das Recht zuzubilligen, sich durch diesen mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt auch in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen (BGH, Beschluss vom 04.07.2017 - X ZB 1 1/15, juris Rn. 8 mwN). Im Übrigen sind aber nur die Kosten in Höhe der kostengünstigsten Maßnahme zur Terminswahrnehmung erstattungsfähig. Welche dies sind, ist durch einen Vergleich mit den (fiktiven) Kosten der jeweils anderen Arten einer Terminswahrnehmung zu ermitteln.
12 Hieraus folgt zum einen, dass die Kosten eines Rechtsanwalts, der statt des auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, ansatzfähig sind, wenn und soweit die hierdurch entstandenen Mehrkosten die ersparten, erstattungsfähigen (fiktiven) Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht (wesentlich) übersteigen. Dies gilt sowohl für den Fall der Unterbevollmächtigung (BGH, Beschluss vom 26.02.2014 - XII ZB 499/11, 30 juris mwN) als auch für den Fall einer Terminsvertretung.
13 Hieraus folgt zum anderen, dass die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, nur dann ansatzfähig sind, soweit die Rechtsanwaltskosten insgesamt diejenigen Rechtsanwaltskosten nicht übersteigen, die im Fall einer Beauftragung des Terminsvertreters durch die Partei selbst entstanden wären.
14 b) Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Rechtsanwalt, der den Termin wahrgenommen hat, im eigenen Namen als Unterbevollmächtigten beauftragt hat, weil dieser am 31.012018 nur gegenüber jenem abgerechnet hat. Der Unterbevollmächtigte hat hierbei eine halbe Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG zuzüglich Umsatzsteuer (insgesamt 252,76 €) abgerechnet. Da dies nicht der Gebühr Nr. 3401 VV RVG für eine Terminsvertretung entspricht ist zudem davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte und der Terminsvertreter diesen Betrag vereinbart haben. Diese Kosten stellen für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin Aufwendungen dar, die er nach den Umständen für erforderlich iSd. Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG iVm. § 675, § 670 BGB halten durfte:
15 Zum einen wären die hierdurch ersparten, sonst erstattungsfähigen (fiktiven) Reisekosten des Prozessbevollmächtigten für die Strecke von Köln nach Flensburg höher als die Kosten der Terminsvertretung von 252,76 €.
16 Zum anderen übersteigen die Kosten durch die Unterbevollmächtigung nicht diejenigen Kosten, die im Fall einer Beauftragung eines Terminsvertreters durch die Partei selbst entstanden wären:
17 In einem solchen Fall wären insgesamt Kosten von 1.795,83 € entstanden (für den Prozessbevollmächtigten: 1,3 Verfahrensgebühr iHv. 460,20 € (Nr. 3104 VV RVG), Post- und Telekommunikationspauschale iHv. 20,00 € (Nr. 7002 VV RVG); für den Terminsvertreter: 0,65 Verfahrensgebühr iHv. 230,10 € (Nr. 3401 VV RVG), 1,2 Terminsgebühr iHv. 424,80 € (Nr. 3402 VV RVG), 1,0 Einigungsgebühr iHv. 354,00 € (Nr. 1003 VV RVG) und Post- und Telekommunikationspauschale iHv. 20,00 € (Nr. 7002 VV RVG), jeweils zuzüglich Umsatzsteuer). Demgegenüber entstanden durch die Unterbevollmächtigung Kosten in Höhe von insgesamt 1.750,97 € (nur für den Prozessbevollmächtigten: 1,3 Verfahrensgebühr iHv. 460,20 € (Nr. 3104 VV RVG), 1,2 Terminsgebühr 424,80 € (Nr. 3104 VV RVG), Einigungsgebühr iHv. 354,00 (Nr. 1003 VV RVG), Post- und Telekommunikationspauschale iHv. 20,00 € (Nr. 7002 VV RVG); Auslagen für den Terminsvertreter iHv. 212,40, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer).
18 Somit kann der Klägervertreter die Kosten der Terminswahrnehmung durch einen Unterbevollmächtigten als Auslagen gegenüber der Klägerin geltend machen (Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG iVm. § 675, § 670 BGB), für die Klägerin sind diese als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung iSd. § 91 Abs. 1 Satz 1, § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO iRd. Kostenfestsetzungsverfahrens erstattungsfähig und damit anzusetzen.
19 c) Unter Berücksichtigung der Kosten des Unterbevollmächtigten sind die Kosten damit wie folgt auszugleichen:
20
Klägerin |
Beklagte |
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Anwaltskosten |
1.750,97 € |
Anwaltskosten |
1.688,18 € |
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Die außergerichtlichen Kosten betragen insgesamt 3.439,15 €. |
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Davon tragen: |
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Klägerin |
76 % |
2.613,75 € |
Beklagte |
24 % |
825,40 € |
abzüglich eigener Kosten |
1.750,97 € |
abzüglich eigener Kosten |
1.688,18 € |
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der Gegenseite zu erstatten |
862,78 € |
der Gegenseite zu erstatten |
0,00 € |
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Zusammenfassung Berechnung |
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außergerichtliche Kosten |
862,78 € |
zu erstatten von der Klägerin |
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